- Sie sind hier: Start
- Newsletter
- Ansicht
Newsletter Altenpflege 03/2024
03/2024
Neues aus der Rechtsprechung
Keine Teilkündigung nur der Beförderungsleistung eines Tagespflegevertrags
(LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 10.06.2024, L 8 P 40/24 B ER)
Das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein hatte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes darüber zu entscheiden, ob die Antragstellerin als Nutzerin einer Tagespflegeeinrichtung einen Anspruch gegen die Pflegekasse auf Kostenübernahme eines anderen Fahrdienstes hat.
Die Antragstellerin ist u.a. an Demenz erkrankt. Sie lebt zu Hause und geht seit 2017 an zwei Tagen pro Woche in die Tagespflegeeinrichtung. Diese schloss mit der Antragstellerin einen Vertrag, in dem u.a. geregelt ist, dass bei Verlust der Körperspannung, die einen sicheren Transport unmöglich macht, bei Hinlauftendenz, bei Aggressivität gegenüber anderen Tagespflegegästen und aus weiteren Gründen der Tagespflegevertrag schriftlich durch die Tagespflegeeinrichtung gekündigt werden darf. Im Jahr 2023 schlug die Antragstellerin während des Transports wiederholt andere Tagespflegegäste und griff dem Fahrer ins Lenkrad. Daraufhin sprach die Tagespflegeeinrichtung mündlich eine Teilkündigung des Beförderungsvertrags aus. Die Antragstellerin beantragte bei der Pflegekasse die Kostenübernahme für einen anderen Fahrdienst, was diese ablehnte. Da die Angelegenheit eilig war, weil die pflegerische Versorgung an zwei Tagen pro Woche nicht mehr gesichert war, beantragte die Antragstellerin beim zuständigen Sozialgericht eine einstweilige Anordung gegen die Pflegekasse als Antragsgegnerin auf vorläufige Übernahme der Fahrtkosten eines anderen Pflegedienstes gemäß § 41 Absatz 1 SGB XI bis zu einer Entscheidung des Hauptsacheverfahrens. Das Sozialgericht gab diesem Antrag statt.
Das LSG wiederum gab der Beschwerde der Pflegekasse statt und führte aus, dass die Antragstellerin gegen die zum Verfahren beigeladene Tagespflegeeinrichtung weiterhin einen Anspruch auf Beförderung hat. Zum einen war aus Sicht des Gerichts die mündliche Teilkündigung der Beförderung durch die Tagespflegeeinrichtung unzulässig, da vertraglich vereinbart sei, dass eine Kündigung schriftlich zu erfolgen habe. Ferner zweifelte das Gericht das Vorliegen eines wirksamen Kündigungsgrundes an.
Des weiteren war aus Sicht des Landessozialgerichts zweifelhaft, ob ein Tagespflegevertrag lediglich bezüglich der Beförderungsleistung gekündigt werden konnte. Die Antragstellerin habe gegenüber der Pflegekasse als Antragsgegnerin einen Anspruch auf Tagespflege und Beförderung zur Tagespflege gemäß § 41 Absatz 1 SGB XI. Die Umsetzung dieses Anspruchs erfolge dadurch, dass die Pflegekassen mit den Tagespflegeeinrichtungen entsprechende Versorgungsverträge abschließen, in denen als untrennbarer Bestandteil die Beförderungsleistungen vereinbart seien. Ferner seien in den Vergütungsvereinbarungen ebenfalls die Beförderungskosten als untrennbarer Bestandteil der Pflegevergütung vereinbart worden. Damit habe die Pflegekasse aus Sicht des LSG ihre Verpflichtung aus § 41 Absatz 1 SGB XI gegenüber der Antragstellerin erfüllt, so dass kein Anspruch auf separate Kostenübernahme für einen anderen Pflegedienst bestehe.
Anmerkung:
Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein verdeutlicht in seinem Beschluss, dass die Möglichkeit einer separaten Kündigung nur der Beförderungsleistungen im Rahmen eines Tagespflegevertrags äußerst zweifelhaft ist. Die Tagespflegeeinrichtung erhält hierfür eine Vergütung. Will sie die Beförderung nicht mehr selbst übernehmen, so dürfte sie die Kosten für ein anderes Beförderungsunternehmen zu tragen haben. Das Gericht macht deutlich, dass ein Anspruch gegenüber der Pflegekasse auf Kostenübernahme jedenfalls nicht besteht.
Die Frist von sechs Monaten zur rückwirkenden Geltendmachung von Minderungsansprüchen ist eine Ausschlussfrist
(OLG Köln, Urteil vom 10.06.2024, 5 U 86/23)
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte darüber zu entscheiden, ob der Beklagte als Erbe seiner verstorbenen Frau Kosten der Kurzzeitpflege von rund 15.000,- € für den Zeitraum 10.02.2021 bis 11.05.2021 zu tragen hatte.
Die zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau des Beklagten erhielt im vorgenannten Zeitraum Leistungen des Wohnens, der Pflege und Verpflegung im Umfang des Pflegegrades 3 durch die Kurzzeitpflegeeinrichtung. Der Beklagte bestritt zunächst die Anwendbarkeit des WBVG auf den Vertrag. Hier stellte das OLG klar, dass auch ein Kurzzeitpflegevertrag unter das WBVG fällt, da Leistungen des Wohnen und der Pflege durch die Pflegeeinrichtung erbracht wurden. Das Gericht stellte ferner klar, dass die Anwendbarkeit des WBVG weder von der Kenntnis der Vertragsparteien, noch von einem expliziten Hinweis durch die Pflegeeinrichtung hierauf abhängt.
Erst rund eineinhalb Jahre nach Beendigung der Kurzzeitpflege machte der Beklagte erstmals im Rahmen des Klagevertrags geltend, dass die Leistungen von der Pflegeeinrichtung, die ihn auf Zahlung verklagt hatte, nicht ordnungsgemäß erbracht worden waren. Das OLG führt hierzu aus, dass die Geltendmachung einer Minderung nach § 10 WBVG durch den Beklagten verfristet war. Das Gesetz regele, dass ein Minderungsanspruch des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer bei Schlechtleistung sowohl für die Zukunft bis zur Behebung der mangelhaften Leistungen als auch maximal für sechs Monate rückwirkend bestehe. Im vorliegenden Fall gebe es keinerlei Anhaltspunkte, dass der Beklagte in der Frist von sechs Monaten einen Minderungsanspruch geltend gemacht habe, so dass eine erstmalige Behauptung von Mängeln nach mehr als einem Jahr nicht mehr möglich sei. Auch einer "Aufrechnung" des Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz mit einem vermeindlichen "Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch" gegenüber der Kurzzeitpflege erteilte das OLG Köln eine Absage.
Anmerkung:
Die Entscheidung stellt noch einmal klar, dass Verbraucher ab der Anzeige eines Mangels nach § 10 WBVG Leistungen auch für maximal sechs Monate rückwirkend mindern können, soweit in dem zurückliegenden Zeitraum auch Mängel aufgetreten waren. Die Geltendmachung eines Minderungsanspruchs für weiter zurückliegende Zeitraum ist somit ausgeschlossen.
Zum Umlagemaßstab einer Entgelterhöhungsankündigung
(OLG Zweibrücken, Urteil vom 20.08.2024, 8 U 62/23)
Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hatte über die Rechtmäßigkeit der Abmahnung eines Verbrauchervereins gegenüber einem Pflegeheim zu entscheiden, das aus Sicht des Verbrauchervereins nicht die erforderlichen inhaltlichen Anforderungen an eine Entgelterhöhungsankündigung eingehalten hatte.
Das Pflegeheim kündigte mit Schreiben vom 01.06.2022 gegenüber den Bewohnern eine Entgelterhöhung zum 01.07.2022 an. Der Verbraucherverein bemängelte, dass das Anschreiben nicht ausreichend zwischen Einzel- und Doppelzimmern unterscheidet und den Umlagemaßstab nicht anführt. Die Begründung für die einzelnen Kostensteigerungen sei nicht hinreichend dargelegt. Die Mieterhöhung und die Instandhaltungskostensteigerungen hätten konkret beziffert werden müssen. Ferner werde der Eindruck erweckt, dass die Erhöhung auch ohne Zustimmung der Bewohner wirksam werde. Stattdessen hätte eine von beiden Seiten zu unterzeichnende Nachtragsvereinbarung vorgesehen werden müssen.
Das zuständige Landgericht wies die Klage des Verbrauchervereins zunächst ab. Das OLG Zweibrücken gab der Berufung hinsichtlich zwei Punkten statt. Aus Sicht des Gerichts war der Umlagemaßstab der Entgelterhöhungsankündigung nicht zu entnehmen. Ferner erwecke das Schreiben den Eindruck, dass eine Entgelterhöhung auch ohne Zustimmung der Bewohner gelten würde.
Aus Sicht des OLG handelt es sich bei dem anzugebenden Umlagemaßstab um den Parameter, nach dem die gestiegenen Kosten auf die Entgelte kalkulatorisch umgelegt werden. Dies könne im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft die Größe des belegten Wohnraums nach Quadratmetern, die Kopfzahl der Bewohner oder die (maximale) Anzahl der belegbaren Heimplätze sein, während die Bezeichnung „pflegetäglich“ insofern nicht ausreiche, weil sie keinen Umlage-, sondern allenfalls einen Abrechnungsmaßstab darstelle.
Ferner führt das Gericht aus, dass eine dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 9 WBVG entsprechende Mitteilung über eine geplante Entgelterhöhung klar zu erkennen geben muss, dass es sich lediglich um eine beabsichtigte Erhöhung handelt. Keinesfalls dürfe der Eindruck erweckt werden, dass es einer Zustimmung der Bewohner zu dem Entgelterhöhungsverlangen nicht bedürfe.
Anmerkung:
Aufgrund einer Entgelterhöhungsankündigung, die den Bewohnern vier Wochen vor Inkrafttreten der beabsichtigten Erhöhung zugehen muss, sind die erhöhten Entgelte nicht automatisch vereinbart. Hierfür ist ein Nachtrag zum Wohn- und Betreuungsvertrag zwischen den Vertragsparteien zu schließen oder der Bewohner hat eine Zustimmungserklärung bezüglich der erhöhten Entgelte zu unterschreiben. Notfalls muss das Pflegeheim die Zustimmung zur Entgelterhöhung gegenüber dem Bewohner einklagen, falls dieser die Zustimmung verweigert. Nur so sind die erhöhten Entgelte wirksam vereinbart.
Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.vandrey-hoofe.de
Klicken Sie hier, wenn Sie den Newsletter Altenpflege abbestellen möchten.