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Newsletter Behindertenhilfe 02/2022
02/2022
Neues aus der Rechtsprechung
Zur Wirksamkeit des Vergütungsanspruchs bei unwirksamem Wohn- und Betreuungsvertrag.
(OLG Dresden, Beschluss v. 11.10.2021 und Urteil v. 14.02.2022, 4 U 1462/21)
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte darüber zu entscheiden, ob aus einem formunwirksamen Wohn- und Betreuungsvertrag einem Pflegeheim gegen den Bewohner Vergütungsansprüche zustehen.
Der Bewohner zog am 23.02.2017 in das Pflegeheim ein und unterschrieb am selben Tag den Wohn- und Betreuungsvertrag. Nachfolgend stellte sich heraus, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits geschäftsunfähig war. Für den Zeitraum ab Einzug bis zum 30.09.2017 zahlte er die Entgelte an das Pflegeheim nicht mit Verweis auf seine Geschäftsunfähigkeit, die Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben zum Inhalt des Wohn- und Betreuungsvertrags und die Nichtnachvollziehbarkeit der erbrachten Leistungen durch die Einrichtung.
Das zuständige Amtsgericht verurteilte den Bewohner zur Zahlung der offenen Entgelte. Das OLG Dresden wies die Berufung zurück und begründete dies damit, dass gemäß § 4 Absatz 2 WBVG die Wirksamkeit des Vertrags mit einem geschäftsunfähigen Vertragspartner von der Genehmigung durch einen Betreuer oder Bevollmächtigten abhängt. Für alle bis dahin erbrachten Leistungen und Gegenleistungen gelte der Vertrag als wirksam geschlossen. Aus Sicht des Gerichts kann ggf. die Nichtreaktion des rechtlichen Vertreters des Beklagten auf die Mahnung der klagenden Einrichtung vom 29.09.2017 dahingehend ausgelegt werden, dass der rechtliche Vertreter damit den Wohn- und Betreuungsvertrag nicht genehmigen wollte. Alle bis dahin erbrachten Leistungen waren aber nach § 4 Absatz 2 WBVG unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Bewohners zu vergüten.
Ferner stellte das Oberlandesgericht klar, dass eine Vergütung im Wohn- und Betreuungsvertrag, die sich nach den Vergütungsvereinbarungen mit den Kostenträgern richtet, gemäß § 7 Absatz 2 WBVG angemessen ist, sodass auch bei einem formunwirksamen Wohn- und Betreuungsvertrag diese Vergütungssätze durch die Einrichtung abgerechnet werden können.
Anmerkung:
Das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz trifft nicht nur Regelungen zum Schutz der Verbraucher, sondern durchaus auch solche zum Schutz der Unternehmer. Bei Geschäftsunfähigkeit hat ein rechtlicher Vertreter umgehend eine Genehmigung des Wohn- und Betreuungsvertrags abzulehnen, soweit er das für sinnvoll erachtet. Ein schwebend unwirksamer Vertrag kann nicht zulasten des Unternehmers gehen, der bereits mit umfänglichen Betreuungsleistungen in Vorleistung gegangen ist. Daher sichert das Gesetz durch die Regelung in § 4 Absatz 2 Satz 3 WBVG dem Unternehmer hier die Vergütungsansprüche.
Die Mitarbeiterin einer Einrichtung kann nicht mittels Zwangsgeldandrohung zu einer Impfung gezwungen werden.
(OVG Lüneburg, Beschluss v. 22.06.2022, 14 ME 258/22)
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hatte darüber zu entscheiden, ob ein Landkreis gegenüber der Mitarbeiterin einer Einrichtung Fristen zum Nachweis durchgeführter Impfungen festlegen durfte und für den Fall, dass entsprechende Nachweise nicht fristgerecht vorgelegt werden, ein Zwangsgeld androhen durfte.
Nachdem der Landkreis von dem Arbeitgeber die Mitteilung erhalten hatte, dass die Mitarbeiterin nicht gegen das Corona-Virus geimpft sei, ordnete er gegenüber dieser unter Hinweis auf § 20a Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) an, einen Impfnachweis über eine Erstimpfung innerhalb einer Frist von 14 Tagen sowie einen Impfnachweis über eine Zweitimpfung innerhalb einer Frist von weiteren 42 Tagen nach der Erstimpfung beim Gesundheitsamt einzureichen. Er ordnete zudem die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an und drohte der Mitarbeiterin für den Fall, dass sie der Verfügung nicht nachkomme, ein Zwangsgeld an.
Auf den hiergegen gerichteten Eilantrag ordnete das Verwaltungsgericht u.a. die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung an, was bewirkt, dass diese nicht vom Landkreis durchgesetzt werden kann. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus, die Vorgehensweise des Landkreises sei im Ergebnis wegen eines Verstoßes gegen die vom Gesetzgeber geschützte Freiwilligkeit der Impfentscheidung voraussichtlich rechtswidrig und nicht durch § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG gedeckt.
Das OVG bestätigt in seinem Beschluss die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Aus Sicht des OVG erlaubt § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG nicht die Anordnung konkreter Impffristen durch den Landkreis und deren Durchsetzung im Wege eines Zwangsgeldes. Tatsächlich handele es sich lediglich um eine Nachweispflicht über eine Impfung und nicht um eine Impfpflicht. Betroffenen Personen solle das Wahlrecht zwischen einer Nichtimpfung verbunden mit der Aufgabe ihrer Tätigkeit oder der Einwilligung in die Impfung erhalten bleiben.
Hinweis:
Diese Entscheidung erging im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. Es bleibt abzuwarten, ob andere Verwaltungsgerichte dieser Rechtsauffassung folgen werden.
Neues aus der Gesetzgebung
Ab 01.11.2022 haben Menschen mit Behinderung Anspruch auf eine Begleitung bei einem Krankenhausaufenthalt.
Zum 01.11.2022 tritt § 44b SGB V in Kraft, aufgrund dessen Versicherte Anspruch auf Krankengeld für eine bei Behandlung im Krankenhaus mit aufgenommene Begleitperson haben, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- Die Begleitung ist aus medizinischen Gründen erforderlich.
- Es handelt sich bei dem Versicherten um einen im Sinne von § 2 Absatz 1 SGB IX behinderten Menschen, der Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 2. Teil des SGB IX oder nach § 35a SGB VIII oder nach § 27d Absatz 1 Nr. 3 Bundesversorgungsgesetz erhält.
- Es werden keine Leistungen nach § 113 Absatz 6 SGB IX in Anspruch genommen (siehe unten).
- Die Begleitperson ist ein Familienangehöriger (wer hierunter zu fassen ist, ist in § 7 Absatz 3 Pflegezeitgesetz geregelt). Oder die Begleitperson kommt aus dem engsten persönlichen Umfeld des Versicherten.
- Der Begleitperson entsteht ein Verdienstausfall.
Der Gemeinsame Bundesausschuss soll bis zum 01.08.2022 in einer Richtlinie Näheres zum anspruchsberechtigten Personenkreis regeln.
Ebenfalls zum 01.11.2022 wird § 113 SGB IX um die Absätze 6 und 7 ergänzt. § 113 Absatz 6 SGB IX regelt, dass der Betroffene zur Sicherung der Behandlung durch eine vertraute Bezugsperson, die bei dem Leistungserbringer beschäftigt ist, während des Krankenhausaufenthalts begleitet werden kann, wenn das aufgrund des Vertrauensverhältnisses des Leistungsberechtigten zur Bezugsperson und aufgrund der behinderungsbedingten besonderen Bedürfnisse notwendig ist. Diese Leistungen der Bezugsperson umfassen Leistungen zur Verständigung und zur Unterstützung im Umgang mit Belastungssituationen.
In § 121 SGB IX, der Regelungen zum Gesamtplan trifft, wird in Absatz 4 die neue Nummer 7 angefügt, die besagt, dass der Gesamtplan als Mindestinhalt die Einschätzung enthalten muss, ob im Falle einer stationären Krankenhausbehandlung die Begleitung und Befähigung des Leistungsberechtigten durch vertraute Bezugspersonen zur Sicherstellung der Durchführung der Behandlung erforderlich ist.
Hinweis:
Auf Basis von § 113 Absatz 6 SGB IX können nicht direkt Leistungen der Begleitung bei einem Krankenhausaufenthalt leistungsberechtiger Personen mit dem Leistungsträger abgerechnet werden. Vielmehr bedarf es vorher einer Regelung im Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX und in der Leistungsvereinbarung nach §§ 123 ff. SGB IX.
Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.vandrey-hoofe.de
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