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Newsletter Behindertenhilfe 02/2023
02/2023
Neues aus der Rechtsprechung
Trotz eingeschränkter Amtsermittlungspflichten hat die Schiedsstelle die Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten einzufordern.
(LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 06.04.2023, L 9 SO 41/22 ER)
Das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern hatte im einstweiligen Rechtsschutz über die sofortige Vollziehung eines Schiedsspruchs zu entscheiden. Der Pflegeheimträger als Antragsteller hatte einen entsprechenden Antrag gestellt, da sich der Kostenträger (im hiesigen Verfahren Antragsgegner) mit einer Anfechtungsklage gegen den Schiedsspruch zur Wehr setzt, wodurch dieser bis zur Entscheidung des Klageverfahrens nicht umgesetzt werden kann.
Der Antragsteller betreibt seit Dezember 2019 eine nach Landesrecht nicht geförderte, vollstationäre Pflegeeinrichtung mit 57 Plätzen. Die Beteiligten schlossen am 11./13. Dezember 2019 eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung ab. Hinsichtlich der Investitionskosten kam keine Vergütungsvereinbarung zustande. Der Antragsteller machte Gestehungskosten in Höhe von insgesamt 21,34 € pro Tag und Platz geltend, während der Antragsgegner einen Investitionsbetrag in Höhe von 14,78 € anbot. Im Laufe des Verfahrens verwies der Antragsgegner auf einen externen Vergleich von 101 nicht geförderten Pflegeeinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern, der rechnerisch einen durchschnittlichen Investitionsbetrag in Höhe von 14,17 € pro Tag und Platz ergebe.
Mit Beschluss vom 26.04.2022 legte die Schiedsstelle die Investitionskosten auf kalendertäglich 21,34 € fest. Aus Sicht der Schiedsstelle hatte der Antragsgegner nicht die erforderlichen Nachweise zur Anwendung des externen Vergleichs vorgelegt. Die Schiedsstelle hatte den Antragsgegner im laufenden Verfahren nicht konkret dazu aufgefordert, weitere Nachweise zu erbringen.
Das LSG lehnte die sofortige Vollziehung des Schiedsspruchs ab. Nach seiner Auffassung bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs.
Das Gericht führte aus, dass Schiedssprüche nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Der streitige Sachverhalt müsse richtig ermittelt sein. Die verfahrensrechtlichen Regelungen seien einzuhalten und die Schiedsstelle dürfe bei der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt haben.
Das Landessozialgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Schiedsstelle insoweit, dass deren Amtsermittlungspflicht eingeschränkt ist aufgrund ihrer begrenzten Kapazitäten und der erheblichen Mitwirkungspflichten der Beteiligten des Schiedsverfahrens.
Allerdings war aus Sicht des Gerichts zu beanstanden, dass die Schiedsstelle vor dem Schiedsspruch im Hinblick auf die Durchführung des externen Vergleichs nicht zunächst eine Auflistung mit den von ihr gewünschten Angaben/Filtern vom Antragsgegner abgefordert hatte. Dies sei zwingend erforderlich gewesen, da zu den zugrunde liegenden Kriterien unterschiedliche Auffassungen existieren können. Insbesondere habe die Schiedsstelle klarstellen müssen, dass sie die Kennzeichnung von Einrichtungen benötigt, die im Mietmodell betrieben werden. Grundsätzlich komme nur ein Vergleich von Einrichtungen in Frage, die in demselben Modell (Mietmodell oder Eigentümermodell) betrieben werden. Eine Ausnahme kann aus Sicht des LSG dann denkbar sein, wenn nicht genügend Einrichtungen in diesem Modell im Vergleichsraum betrieben werden. Da sich die Beteiligten im vorliegenden Verfahren nicht hinsichtlich der Kriterien für den externen Vergleich abgestimmt hatten, habe die Schiedsstelle selbst tätig werden und hierzu den Antragsgegner zur Mitwirkung auffordern müssen. Erst nach dessen Verweigerung hätte die Schiedsstelle sich nach Auffassung des Gerichts auf einen internen Vergleich beschränken können.
Anmerkung:
Die Schiedsstellen haben zwar keine Amtsermittlungspflichten wie bspw. die Sozialgerichte, allerdings verdeutlicht dieser Beschluss, dass die Schiedsstellen klare Vorgaben machen müssen, welche Informationen sie für relevant halten und diese wenigstens einmal von den Verfahrensbeteiligten einfordern müssen. Wenn die Verfahrensbeteiligten die entsprechenden Informationen dann nicht vorlegen, geht dies zu ihren eigenen Lasten.
Neues aus der Gesetzgebung
Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG)
Das Pflegeunterstütungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) tritt beginnend ab 1. Juli 2023 in mehreren Wellen in Kraft. Es bringt eine Vielzahl an Detailänderungen im Bereich der Pflege. Einige davon werden im Folgenden dargestellt.
1. Kurzzeit- und Verhinderungspflege
Zum 1. Juli 2025 werden die jeweiligen Leistungsbeträge der beiden Leistungsarten zu einem gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zusammengelegt (§ 42a SGB XI in der am 01.07.2025 geltenden Fassung). Damit steht ab diesem Zeitpunkt für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege ein jährlicher Gesamtbetrag von bis zu 3.539,- € zur Verfügung, den die Anspruchsberechtigten dann nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können.
Ab Juli 2025 wird die zeitliche Höchstdauer der Verhinderungspflege auf bis zu acht Wochen im Kalenderjahr angehoben und damit der zeitlichen Höchstdauer der Kurzzeitpflege angeglichen. Auch der Zeitraum der hälftigen Fortzahlung eines zuvor bezogenen (anteiligen) Pflegegeldes verlängert sich entsprechend.
Ferner entfällt ab 1. Juli 2025 das Erfordernis einer sechsmonatigen Vorpflegezeit vor der erstmaligen Inanspruchnahme von Verhinderungspflege.
Bereits ab 1. Januar 2024 soll die Inanspruchnahme von Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege für Eltern von behinderten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum Alter von 25 Jahren vereinfacht werden, soweit diese die Pflegegrade 4 oder 5 haben. Die Verhinderungspflege kann von diesem Personenkreis bereits ab Januar 2024 für acht Wochen im Jahr in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch für die (anteilige) Fortzahlung des hälftigen Pflegegeldes. Die sechsmonatige Vorpflegezeit wird gestrichen. Der Betrag der Kurzzeitpflege in Höhe von 1.774,- € pro Kalenderjahr kann für diesen Personenkreis zusätzlich für Leistungen der Verhinderungepflege verwendet werden.
Ab 1. Januar 2024 haben die Pflegekassen den Versicherten auf ihre Anfrage hin halbjährig eine Auflistung der zuvor in Anspruch genommenen Leistungen zu übermitteln. Dies gilt für alle in Anspruch genommenen Leistungsarten, soll aber u.a. den Überblick bei der Inanspruchnahme des jährlichen Gesamtbetrags für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege verbessern.
2. Pflegegeld und Pflegesachleistungen
Zum 1. Januar 2024 steigt das Pflegegeld um 5% an. Gleichzeitig werden auch die Leistungsbeträge für ambulante Sachleistungen, also häusliche Pflegehilfen durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste, um 5% angehoben.
Zum 1. Januar 2025 steigen dann alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung – sowohl im häuslichen wie auch im teil- und vollstationären Bereich – in Höhe von 4,5% an. Auch das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen steigen mit diesem Schritt nochmals um 4,5% an.
Zum 1. Januar 2028 ist eine weitere Erhöhung geplant, die sich am Anstieg der Kerninflationsrate in den drei vorausgehenden Kalenderjahren, für die zu diesem Zeitpunkt die Daten vorliegen, orientiert. Hierbei werden wiederum sämtliche Leistungsbeträge der Geld- und Sachleistungen der Pflegeversicherung dynamisiert.
Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.vandrey-hoofe.de
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