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Newsletter Behindertenhilfe 03/2022
03/2022
Neues aus der Rechtsprechung
Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, ein Zeiterfassungssystem einzuführen.
(BAG, Beschluss v. 13.09.2022, 1 ABR 22/21)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu entscheiden, ob ein Betriebsrat die Einführung eines Zeiterfassungssystems beim Arbeitgeber mithilfe der Einigungsstelle erzwingen kann.
Im Jahr 2018 hatte der Betriebsrat mit den Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung gemeinschaftlich betreiben, eine Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit abgeschlossen. Die ebenfalls geplante Vereinbarung über die Arbeitszeiterfassung kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das zuständige Arbeitsgericht hierfür eine Einigungsstelle ein. Aufgrund einer Zuständigkeitsrüge durch die Arbeitgeberinnen wandte sich der Betriebsrat an das Landesarbeitsgericht, das seinem Antrag stattgab. Das BAG hingegen kam zu dem Ergebnis, dass der Betriebsrat kein Initiativrecht zum Abschluss einer Vereinbarung über ein elektronisches Arbeitszeiterfassungssystem hat.
Das BAG kommt unter Einbeziehung europarechtlicher Regelungen zu dem Ergebnis, dass die Arbeitgeberinnen aufgrund der Regelung des § 3 Absatz 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) dazu verpflichtet sind, ein Zeiterfassungssystem einzuführen. Soweit eine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber bestehe, habe der Betriebsrat kein Initiativrecht mehr.
Anmerkung:
Bisher liegt zu dieser Entscheidung nur eine Presseerklärung des Bundesarbeitsgerichts vor. Die Begründung des Beschlusses im Detail muss daher noch abgewartet werden. Allerdings ist soviel jetzt schon klar: Die Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, ein Zeiterfassungssystem im Betrieb einzuführen. Aus Sicht des BAG ergibt sich das aus der Regelung des § 3 Absatz 2 Nr. 1 ArbSchG. Hier werden Regelungen zu allgemeinen Pflichten der Arbeitsorganisation im Betrieb getroffen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat als Reaktion auf den Beschluss des BAG mitgeteilt, dass Arbeitgeber die Pflicht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems umgehend umzusetzen haben.
Inhaltliche Anforderungen an ein Entgelterhöhungsschreiben nach § 9 WBVG.
(OLG Dresden, Urteil v. 02.08.2022, 4 U 143/22)
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte darüber zu entscheiden, ob die Entgelterhöhungsankündigung eines Pflegeheimes wirksam war und sich daraus ein Anspruch auf Zustimmung zur Entgelterhöhung ergab.
Die klagende Leistungserbringerin kündigte mit Schreiben vom 27.11.2019 eine Erhöhung der Entgelte zum 01.01.2020 an. Hierin schlüsselte sie die einzelnen Entgeltbestandteile auf und stellte deren jeweilige Erhöhung dar. Ferner stellte sie die Gesamtkostenerhöhung dar und führte diejenigen Kostenpositionen auf, für die sich Steigerungen im Folgejahr ergaben. Sie benannte hier die prozentualen Steigerungen und führte jeweils den Umlagemaßstab der Kostenpositionen auf. Die beklagte Bewohnerin stimmte dem Entgelterhöhungsverlangen der Klägerin nur teilweise zu und leistete eine entsprechende monatliche Teilzahlung. Die Klägerin hatte in ihrer Entgelterhöhungsankündigung eine ausdrückliche schriftliche Einwilligung der Bewohner zur angekündigten Entgelterhöhung verlangt. Da die Beklagte diese nicht abgab, erhob die Leistungserbringerin Klage auf Zustimmung zur Entgelterhöhung und Zahlung offener Heimentgelte.
Das OLG Dresden gab der Klägerin Recht und verurteilte die beklagte Bewohnerin zur Zustimmung zur Entgelterhöhung und Nachzahlung offener Entgelte.
Das Gericht stellt klar, dass es sich bei dem Entgelterhöhungsbegehren der Klägerin um ein Angebot auf Vertragsänderung nach § 311 Absatz 1 BGB handelt. Gemäß § 9 WBVG bedürfte dieses Entgelterhöhungsverlangen der Zustimmung durch die Beklagte. Der Bundesgerichtshof habe bereits 2016 entschieden, dass Schweigen als Zustimmung nicht ausreicht, sondern dass es entweder einer ausdrücklichen oder jedenfalls einer konkludenten Zustimmung durch Zahlung der erhöhten Entgelte bedürfe. Fordere die Leistungserbringerin - wie im vorliegenden Fall - eine ausdrückliche schriftliche Zustimmung, dann reiche auch eine (Teil-)Zahlung als konkludente (Teil-)Zustimmung nicht aus.
Aus Sicht des OLG war auch die in Streit stehende Entgelterhöhungsankündigung der Klägerin wirksam. Den formellen Anforderungen an ein Erhöhungsverlangen sei bereits dann genügt, wenn bezogen auf den Änderungszeitpunkt eine vergleichende Gegenüberstellung der bisherigen und der erhöhten Kosten und des Umlegungsmaßstabes erfolge. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass der Verbraucher aufgrund dieser Angaben eine Plausibilitätskontrolle oder eine inhaltliche Überprüfung der materiellen Berechtigung des Erhöhungsverlangens vornehmen könne.
Anmerkung:
Diese Entscheidung bringt etwas mehr Klarheit hinsichtlich der Ausgestaltung wirksamer Entgelterhöhungsankündigungen. Die zukünftigen Tagessätze müssen den bisherigen gegenüber gestellt werden. Ferner müssen die bisherigen Gesamtkosten der Einrichtung oder des ambulanten Dienstes den zukünfigen gegenüber gestellt werden. Es müssen dann die Kostenpositionen im einzelnen aufgeführt werden, für die sich zukünftig eine Erhöhung ergibt (bspw. Personalkosten). Zuletzt muss für die einzelnen sich erhöhenden Kostenpositionen der jeweilige Umlagemaßstab benannt werden (bspw. pro Kopf, pro Quadratmeter).
Die wirksame Vereinbarung der erhöhten Entgelte setzt ferner eine Vertragsänderung voraus. Dies kann durch Abgabe einer Zustimmungserklärung durch den Leistungsberechtigten oder durch beiderseitige Unterzeichnung eines Vertragsnachtrags erfolgen. Es ist zu beachten, dass die Zahlung der erhöhten Entgelte durch einen Kostenträger niemals eine konkludente Zustimmung zur Entgelterhöhung durch den Leistungsberechtigten darstellen kann. Nur die Zahlung des Leistungsberechtigten selbst, nicht aber die eines Dritten kann als konkludente Zustimmung zur Entgelterhöhung gewertet werden.
Neues aus der Gesetzgebung
Arbeitgeber können Arbeitnehmern bis zu 3.000,- € einkommenssteuerfreie Inflationsausgleichsprämie zahlen.
Arbeitgeber dürfen ab dem 26.10.2022 ihren Beschäftigten einen Betrag bis zu 3.000,- € steuer- und abgabenfrei gewähren (sog. Inflationsausgleichsprämie). Begünstigt sind sowohl Geld- als auch Sachzuwendungen.
Die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Sie kann daher bspw. nicht anstelle von arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarten Sondergratifikationen wie Weihnachtsgeld ausgezahlt werden. Die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie ist befristet bis zum 31.12.2024. Zwischen dem 26.10.2022 und dem 31.12.2024 können Zahlungen in mehreren Raten oder monatlich geleistet werden.
Die Inflationsausgleichsprämie kann auch an Mitarbeiter ausgezahlt werden, die Gehalt nach der Steuerklasse VI zu versteuern haben oder in einem Minijob-Arbeitsverhältnis stehen. Die steuerfreien Beträge unterliegen ferner nicht der Sozialversicherung. An den Zusammenhang zwischen Leistung und Preissteigerung werden keine hohen Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn der Arbeitgeber bei Gewährung der Leistung deutlich macht, dass er diese aufgrund der aktuellen Preissteigerungen gewährt.
Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.vandrey-hoofe.de
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