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Newsletter Vandrey & Hoofe 01/2025
01/2025
Neues aus der Rechtsprechung
Geltendmachung offener Pflegeheimkosten im einstweiligen Rechtsschutz.
(LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 29.11.2024, L 9 SO 245/24 B ER)
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hatte darüber zu entscheiden, ob der zuständige Sozialhilfeträger offene Heimkosten der demenziell erkrankten Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch für zurückliegende Zeiträume zu erstatten hatte.
Die an Demenz erkrankte Antragstellerin zog im Juni 2020 in das Pflegeheim der Beigeladenen ein und stellte zum Einzug einen Antrag auf Hilfe zur Pflege. Das Sozialamt als Antragsgegner hatte die Kostenübernahme offener Heimentgelte wegen ungeklärter Vermögensverfügungen durch die Antragstellerin im Jahr 2014 abgelehnt. Ihr Widerspruch blieb ohne Erfolg. Das Hauptsacheverfahren war bereits beim Sozialgericht anhängig. Im Juni 2024 kündigte das Pflegeheim der Antragstellerin fristlos den Heimvertrag wegen Zahlungsrückständen von mehr als 60.000,- €. Das Heim setzte eine letzte Räumungsfrist und drohte die Erhebung einer Räumungsklage an. Daraufhin beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf zukünftige Übernahme offener Heimentgelte gegen das Sozialamt als Antragsgegner. Auf Hinweis des Sozialgerichts erweiterte die Antragstellerin ihren Antrag auch auf Übernahme offener Heimkosten für die Vergangenheit. Das Sozialgericht erließ die beantragte einstweilige Anordnung.
Auf Beschwerde des Sozialamts gab das LSG dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung allerdings nur für zukünftige Leistungen statt. Die beigeladene Pflegeeinrichtung hatte im Verfahren zugesagt, keine Räumungsklage gegen die Antragstellerin zu erheben. Aus Sicht des Gerichts war daher eine Übernahme offener Kosten für vergangene Zeiträume durch das Sozialamt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht notwendig, da das Pflegeheim bei Versterben der Antragstellerin gemäß § 19 Absatz 6 SGB XII selbst in das Verfahren gegen das Sozialamt eintreten konnte.
Das LSG bestätigte allerdings die Rechtsauffassung des zuerst befassten Sozialgerichts dahingehend, dass ein Anordnungsgrund für den Erlass der einstweiligen Anordnung dadurch gegeben war, dass aufgrund der demenziellen Erkrankung der Antragstellerin auch bei Restzweifeln am Verbleib ehemals vorhandenen Vermögens ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege gegenüber dem Sozialamt gegeben war. Ein MDK-Gutachten habe bestätigt, dass die Antragstellerin nicht mehr über die kognitiven Fähigkeiten verfüge, die Verwendung eventueller Barabhebungen aufzuklären. Aus Sicht des Gerichts steht dies nicht einer Bewilligung von Hilfeleistungen entgegen.
Anmerkung:
Die Entscheidung verdeutlicht, dass es im Einzelfall möglich ist, auch für zurückliegende Zeiträume im Rahmen einer einstweiligen Anordnung Hilfe zur Pflege zugesprochen zu bekommen. Allerdings reicht hierfür die ausgesprochene Kündigung des Heimvertrags nicht aus. Es muss bereits Räumungsklage erhoben worden sein.
Teilzeitkräften stehen Überstundenzuschläge bei Überschreiten der vereinbarten Arbeitszeit zu.
(BAG, Urteil v. 05.12.2024, 8 AZR 370/20)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu entscheiden, ob eine tarifvertragliche Regelung rechtmäßig war, nach der Teilzeitarbeitskräften erst bei Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitarbeitskräften Überstundenzuschläge zustehen.
Der beklagte Arbeitgeber ist ein ambulanter Dialyseanbieter, bei dem die Klägerin als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40% eines Vollzeitbeschäftigten tätig ist. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag (MTV) Anwendung. Nach § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30% nur Überstunden zuschlagspflichtig, die über die monatliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto möglich.
Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies im März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von rund 129 Stunden aus. Der Arbeitgeber hat der Klägerin für diese Zeiten weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen. Die Klägerin verlangte, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere rund 39 Stunden gutzuschreiben und begehrte die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) i.H. eines Vierteljahresverdienstes. Sie war der Ansicht, die Anwendung von § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht gab der Klage hinsichtlich der Zeitgutschrift statt, wies aber den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ab. Das BAG setzte das Verfahren aus und legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. Auf Basis von dessen Entscheidung vom 29.07.2024 entschied das BAG, dass der Klage dahingehend stattzugeben war, dass der Klägerin die begehrte Zeitgutschrift sowie eine Entschädigung i.H.v. 250,- € zustehen.
Auf Basis der Entscheidung des EuGH ging das BAG davon aus, dass § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist. Nach Auffassung des Gerichts muss die Regelung im MTV bei Teilzeitbeschäftigung eine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsehen. Einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten konnte das BAG nicht erkennen.
Aus Sicht des Gerichts war der Klägerin neben der begehrten Zeitgutschrift eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen. Denn durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung habe die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, seien zu mehr als 90 % Frauen vertreten.
Anmerkung:
Das Urteil klärt, dass Teilzeitbeschäftigte ab der ersten Überstunde ebenso wie Vollzeitkräfte einen Anspruch auf Überstundenzuschläge haben. Hiervon abweichende arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen sind unzulässig, soweit nicht ausnahmsweise ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist.
Das Pflegeheim trifft eine regelmäßige Überprüfungspflicht seiner Risikoprognose für eventuelle Sicherungsmaßnahmen der Bewohner.
(LG Lübeck, Urteil vom 05.12.2024, 10 O 208/23)
Das Landgericht (LG) Lübeck hatte darüber zu entscheiden, ob dem Erben einer verstorbenen Pflegeheimbewohnerin ein Schmerzensgeld zuzusprechen war.
Seit Juli 2019 wurde die verstorbene Bewohnerin im Pflegegrad 4 vom beklagten Pflegeheim gepflegt. Bis zu ihrem Versterben kam es zu mindestens 10 Stürzen in der Einrichtung, die teilweise Krankenhausaufenthalte erforderlich machten. Der Kläger als Erbe der Bewohnerin behauptete darüber hinaus weitere Versäumnisse der Pflegekräfte und forderte ein Schmerzensgeld i.H.v. 20.000,- € sowie Schadensersatz von dem Pflegeheim.
Das Landgericht sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld von 3.000,- € zu. Das Pflegeheim treffe Obhuts- und Verkehrssicherungspflichten zum Schutz der Bewohner. Hierbei seien die Pflichten des Heimträgers begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen. Die Beklagte habe gegen ihre Pflicht verstoßen, anlässlich der erfolgten Stürze der verstorbenen Bewohnerin mit Blick auf ihre körperliche und geistige Verfassung eine angepasste Risikoprognose zu treffen und die daraus erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zur Reduzierung des Sturzrisikos umzusetzen oder mit dem Kläger und seiner Ehefrau zu erörtern.
Das LG führt weiter aus, dass infolge der nach den Pflichtverletzungen erfolgten Stürze bei der Bewohnerin Körperverletzungen in Form von Kopfplatzwunden, Hämatomen an Hüfte und Schädel und damit verbundene Schmerzen eingetreten sind. Allerdings sah es das Gericht nicht als erwiesen an, dass die Bewohnerin aufgrund dieser Verletzungen zu Tode gekommen ist, wie der Kläger behauptete. Das Gericht wies Schadensersatzansprüche des Klägers ab und sprach ein Schmerzensgeld von 3.000,- € zu.
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