Neues aus der Rechtsprechung
Die Reduzierung des Verpflegungssatzes bei Sondenernährung um ein Drittel ist rechtmäßig
(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.02.2014, III ZR 187/13)
Die
Klägerin begehrte die Erstattung des gesamten Verpflegungssatzes am
Heimentgelt, da sie ausschließlich mit einer PEG-Sonde ernährt und mit
Flüssigkeit versorgt wurde. Die Pflegeeinrichtung hatte 14.5 % des
Heimentgelts an die Klägerin erstattet. Der Verpflegungssatz machte
insgesamt 43,5 % des Heimentgelts aus. Die Erstattung eines Drittels des
Verpflegungssatzes an die Klägerin entsprach einem Beschluss zwischen
den Heimträgerverbänden und den Kostenträgern in der
Pflegesatzkommission.
Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage ab. Aus
Sicht des Gerichtes war die Anwendung der Verträge und Beschlüsse der
Pflegesatzkommission wirksam im zwischen den Parteien geschlossenen
Heimvertrag vereinbart. Somit findet auch die Regelung der Reduzierung
des Verpflegungssatzes um ein Drittel auf die Klägerin Anwendung.
Der BGH hielt die Reduzierung des Verpflegungssatzes
um ein Drittel auch für angemessen. Dies entspricht der Reduzierung des
Heimentgelts um den reinen Lebensmittelkosten- bzw. Sachkostenanteil,
wenn Bewohner mittels Sondenernährung verpflegt werden. Das Gericht
schloss sich der Auffassung der Vorinstanz an, wonach es bei der
Sondenernährung zu keiner wesentlichen Reduzierung von Personal-,
Energie- und Sachkosten kommt, so dass die Reduzierung des Heimentgelts
um lediglich 14,5 % dem reinen Sachkostenanteil entspricht.
Hinweis:
Es ist sinnvoll, auf die Verträge
und Beschlüsse der Trägerverbände und der Kostenträger im Wohn- und
Betreuungsvertrag Bezug zu nehmen oder die auf Länderebene getroffene
Vereinbarung zur Reduzierung des Verpflegungssatzes bei Sondenernährung
direkt in den Vertrag aufzunehmen.
(Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 31.05.2013, 4 U 85/12)
Eine demenzkranke Bewohnerin hielt sich im
Gemeinschaftsraum der beklagten Pflegeeinrichtung auf. Dort standen
Thermoskannen mit heißem Tee für ca. eine Stunde unbeaufsichtigt. In
dieser Zeit kam es zu einer Oberschenkelverbrühung der Bewohnerin. Deren
Krankenkasse klagte die Erstattung der Behandlungskosten als
Schadensersatz von der Einrichtung ein.
Der genaue Hergang des Schadensereignisses konnte
nicht rekonstruiert werden. Allerdings war unstreitig, dass die
Thermoskannen unbeaufsichtigt im Raum standen und dass diverse Bewohner
die Möglichkeit hatten, der demenziell erkrankten Bewohnerin hieraus Tee
einzuschenken, der dann verschüttet wurde. Die Bewohnerin selbst war
dazu nicht mehr in der Lage.
Das OLG Schleswig-Holstein sah es als
Aufsichtspflichtverletzung der Mitarbeitenden an, dass die Thermoskannen
mit heißem Tee über einen längeren Zeitraum unbeaufsichtigt blieben.
Der Heimträger habe gegenüber den Bewohnern eine Obhutspflicht im
Zusammenhang mit den übernommenen Pflegeaufgaben. Eine Pflichtverletzung
sei dann anzunehmen, wenn sich der Schadensfall in einer konkreten
Gefahrensituation ereignet habe, der eine gesteigerte Obhutspflicht
auslöse. Dies sah das Gericht im vorliegenden Fall als gegeben an.
Zwar ist nach Auffassung des Gerichts in einer
Pflegeeinrichtung mit überwiegend demenzkranken Bewohnern dem
Pflegepersonal nicht abzuverlangen, dass es ständig Aufsicht über diese
führt. Allerdings hätte im konkreten Fall der Schaden leicht verhindert
werden können, wenn die Mitarbeitenden die Thermoskannen wieder mit aus
dem Raum genommen hätten.
(Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30.10.2013, XII ZB 482/13)
Die Betroffene wurde auf Anordnung ihres
gesetzlichen Betreuers in einem psychiatrischen Krankenhaus zur
zwangsweisen Heilbehandlung stationär untergebracht. Diese Unterbringung
und Zwangsbehandlung wurde durch das zuständige Amtsgericht im Wege der
einstweiligen Anordnung genehmigt. Nach Einholung einer fachärztlichen
Stellungnahme des behandelnden Arztes wurde die Genehmigung für weitere
zwölf Wochen ausgesprochen.
Auf die Beschwerde der Betreuten holte das
zuständige Landgericht ein gerichtliches Gutachten durch den
behandelnden Oberarzt der Klinik ein, das dieser in einem
Anhörungstermin unter Anwesenheit aller Beteiligten mündlich abgab. Er
stellte die Erforderlichkeit der Unterbringung und zwangsweisen
Behandlung fest.
Hiergegen legte die Betroffene erfolgreich
Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH hob die
Entscheidung auf und verwies die Angelegenheit zurück an das
Landgericht.
Aus Sicht des Gerichts wurden die formellen
Voraussetzungen zur Unterbringung mit Zwangsbehandlung nicht
eingehalten. Gemäß § 321 Abs. 1 FamFG, der zuständigen Verfahrensordnung
in Betreuungssachen, ist vor Durchführung der Unterbringungsmaßnahme
eine förmliche Beweisaufnahme über deren Erforderlichkeit durchzuführen.
Der Gutachter soll dem Betroffenen vorher bekannt gegeben werden, damit
dieser von seinem Ablehnungsrecht Gebrauch machen kann. Der
Sachverständige soll die betroffene Person vor Erstellung des Gutachtens
persönlich untersuchen oder befragen. Der BGH hält es im Hinblick auf
den erheblichen Grundrechtseingriff der Unterbringungsmaßnahme mit
Zwangsbehandlung auch für fraglich, ob ein mündliches Gutachten
ausreicht. Jedenfalls muss dieses Gutachten detailliert auf Art und
Ausmaß der Erkrankung unter Einbeziehung der Vorgeschichte eingehen und
wissenschaftlich belegt darstellen, warum die Zwangsmaßnahmen
erforderlich sind.
Der BGH bemängelt weiterhin, dass ein Verstoß gegen §
321 Abs. 1 S. 5 FamFG vorliegt, wonach der gerichtliche Sachverständige
nicht der Arzt sein soll, der die Zwangsbehandlung durchführt. Mit der
Anordnung der Zwangsbehandlung werde gravierend in die Grundrechte der
Betroffenen eingegriffen. Daher soll ein unabhängiger Gutachter die
Erforderlichkeit der Zwangsbehandlung bestätigen. Nur in eng begrenzten
Ausnahmefällen, wie bspw. besonderer Eilbedürftigkeit, dürfe
ausnahmsweise der behandelnde Arzt als Gutachter herangezogen werden.
Hinweis:
Anders ist dies bei einer reinen
Unterbringungsmaßnahme ohne Zwangsbehandlung. Hier kann das Gericht den
behandelnden Arzt bei einer Unterbringung bis zu vier Jahren als
Gutachter heranziehen (§ 329 Abs. 2 FamFG).
Durchführung eines Unterbringungsverfahrens zur Zwangsbehandlung
Die gesetzlichen Regelungen zur Anordnung einer Unterbringung mit ärztlicher Zwangsbehandlung wurden im Jahr 2013 reformiert.
Die Unterbringung zur Zwangsbehandlung eines
Betreuten ist nunmehr an strenge Voraussetzungen geknüpft. Danach ist
eine Zwangsbehandlung nur bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen
zulässig:
Dem
Betreuten fehlt auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer
geistigen oder seelischen Behinderung die Einsichtsfähigkeit in die
Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme oder er kann nicht nach dieser
Einsicht handeln,
es wurde zuvor versucht, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen,
die
ärztliche Zwangsmaßnahme ist zum Wohl des Betreuten erforderlich, um
einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden,
der erhebliche gesundheitliche Schaden kann durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden und
der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme überwiegt die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich.
Der
gesetzliche Betreuer hat die Unterbringung und die Zwangsbehandlung
anzuordnen. Das Betreuungsgericht muss die angeordneten Maßnahmen
genehmigen und hierfür zuvor ein ärztliches Gutachten zur Notwendigkeit
der Unterbringung und der ärztlichen Zwangsmaßnahmen einholen. Die
Genehmigung durch das Betreuungsgericht erfolgt zeitlich befristet.
Weitere Informationen finden Sie in unserer Mandanteninfo.
Foto © Joe Miletzki