April 2016

Neues aus der Rechtsprechung

Das Betreuungsgericht darf freiheitsbeschränkende Maßnahmen genehmigen, solange kein milderes Mittel zur Verfügung steht.

(Beschluss des LG Arnsberg vom 27.08.2015, 5 T 229/15)

Das Landgericht (LG) Arnsberg hatte darüber zu entscheiden, ob das zuständige Amtsgericht das Hochklappen von Bettgittern genehmigen durfte, obwohl in der Altenpflegeeinrichtung Niederflurbetten vorhanden waren, allerdings nicht in ausreichender Anzahl.

Der Ehemann und gesetzliche Betreuer einer an Demenz erkrankten Betreuten beantragte u.a. die Genehmigung, die Bettgitter bei seiner Frau hochklappen zu lassen, da diese hochgradig sturzgefährdet ist. Das Amtsgericht genehmigte die Maßnahme, nachdem die zuständige Richterin die Betreute in der Einrichtung besucht hatte. Hiergegen legte die Betreuungsstelle Beschwerde ein und begründete diese damit, dass als milderes Mittel die Verwendung eines Niederflurbetts in Betracht kommt.

Das LG Arnsberg bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Aus Sicht des Gerichts ist die Pflegeeinrichtung zur Wahrung der Grundrechte der Bewohner auf Freiheit der Person nach Art. 2 Absatz 1 Grundgesetz grundsätzlich dazu verpflichtet, in ausreichender Zahl Niederflurbetten vorzuhalten. Finanzielle und personelle Erwägungen spielen hingegen eine untergeordnete Rolle. Allerdings sei es nicht Aufgabe des Betreuungsgerichts oder des gesetzlichen Betreuers, die Einrichtung zur Anschaffung weiterer Niederflurbetten zu verpflichten. Dies sei allein Aufgabe der Heimaufsicht.

Das Landgericht stellte weiter klar, dass das Betreuungsgericht auch nicht im Rahmen eines betreuungsgerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatzes dazu verpflichtet ist, das Heim zu überprüfen. Es müsse nur tätig werden, wenn auf Basis der bekannten Fakten ein offensichtlich rechtswidriger Zustand vorliegt.

Anmerkung:

Das Amtsgericht hatte die freiheitsentziehende Maßnahme nur für rund acht Monate genehmigt. Auch das Landgericht wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass das Hochklappen der Bettgitter als freiheitsbeschränkende Maßnahme nur solange zulässig ist, bis ein milderes Mittel zur Verfügung steht.


Wirksamkeit einer Erbschaft zugunsten der Einrichtung

(Urteil des OLG Frankfurt vom 12.05.2015, 21 W 67/14, und Beschluss des BGH vom 26.10.2011, IV ZB 33/10)

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte darüber zu entscheiden, ob ein Erbvertrag wirksam ist, den eine pflegebedürftige Person mit der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes geschlossen hatte.

Die Erblasserin war von dem ambulanten Pflegedienst bis zu ihrem Tod betreut worden. Dabei hatten sich freundschaftliche Beziehungen zwischen der Erblasserin und der Geschäftsführerin des Pflegedienstes entwickelt. Mangels anderer Erben schlossen beide einen Erbvertrag, in dem die Geschäftsführerin zur Alleinerbin eingesetzt wurde.

Das OLG Frankfurt zog auf die Beschwerde des Hessischen Regierungspräsidiums einen nach dem Tod der Erblasserin bereits erteilten Erbschein wegen dessen Unrichtigkeit ein. Gemäß § 7 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) durfte sich die Geschäftsführerin nicht zur Alleinerbin einsetzen lassen. Allein die Darlegung freundschaftlicher Beziehungen zwischen ihr und der Erblasserin reichten für die Widerlegung der Vermutung nicht aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Erbeinsetzung und den vertraglichen Beziehungen aufgrund des Pflegevertrags bestanden hatte.

Bereits im Jahr 2011 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) darüber zu entscheiden, ob die Einsetzung einer stationären Behindertenhilfeeinrichtung zum Nacherben zulässig war.

Die Eltern eines Bewohners hatten diesen zum Vorerben eingesetzt und die Wohneinrichtung, in der er lebt, zum Nacherben nach seinem Versterben. Die Behindertenhilfeeinrichtung hatte zu Lebzeiten der Erblasser keine Kenntnis von ihrer Einsetzung als Nacherbe. Erst nach Versterben der Eltern wurde ihr die Erbeinsetzung bekannt.

Der BGH kam hier zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 HeimG vorliegt. Ein solcher sei nur dann anzunehmen, wenn sich der Heimträger oder dessen Mitarbeiter vom Erblasser etwas "versprechen oder gewähren" lassen. Aufgrund der Unkenntnis der stationären Einrichtung von der Einsetzung als Nacherbe liegt kein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 HeimG vor. Dies gelte sowohl für eine stillschweigende Erbeinsetzung des Heimträgers durch den Bewohner selbst als auch durch Dritte.

Hinweis:

Das im Heimgesetz geregelte Zuwendungsverbot ist mittlerweile in alle Landesheimgesetze übernommen worden. Geklärt ist nunmehr, dass die stationäre Einrichtung bzw. der ambulante Dienst keine Kenntnis von der Einsetzung als Erbe haben darf, unabhängig davon ob diese durch die pflegebedürftige Person oder einen Dritten erfolgt, der in einer freundschaftlichen oder verwandtschaftlichen Verbindung mit der pflegebedürftigen Person steht.


Neues aus der Gesetzgebung

Informationspflichten für stationäre Einrichtungen und ambulante Dienste ab 01.02.2017 durch das Verbraucherstreitbeilegungs-Gesetz und das WBVG

 

Am 1. April 2016 ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft getreten. Das VSBG regelt die Möglichkeiten der Verbraucher in Verbraucherstreitigkeiten mit Unternehmern zukünftig eine außergerichtliche Schiedsstelle anzurufen, anstelle die Streitigkeit vor Gericht auszutragen.

Das Verfahren vor den anerkannten Schlichtungsstellen soll grundsätzlich kostenfrei sein. Das Verfahren ist für alle Beteiligten freiwillig. Am 1. April 2016 hat zeitgleich mit Inkrafttreten des Gesetzes die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle mit Sitz in Kehl am Rhein ihre Tätigkeit aufgenommen (www.verbraucher-schlichter.de). Es ist sehr wahrscheinlich, dass diverse weitere Schlichtungsstellen in naher Zukunft deutschlandweit eingerichtet werden.

Das Bundesamt für Justiz hat am 6. April 2016 eine Liste der Zuständigkeiten der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle veröffentlicht. Danach soll eine außergerichtliche Schlichtung u.a. für "Altenheime und häusliche Pflege" durchgeführt werden. Somit können Schlichtungsverfahren zwischen Pflegebedürftigen und stationären Einrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten dort geführt werden.

Zum 1. Februar 2017 treffen die betroffenen Unternehmer gemäß §§ 36, 37 VSBG umfangreiche Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern als Vertragspartner:

  1. Unternehmer haben auf ihrer Webseite und in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verbraucher darüber zu informieren, ob sie bereit und verpflichtet sind, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
  2. Diese Informationen müssen leicht auffindbar sein.
  3. Ein Unternehmer, der sich dazu verpflichtet, an einer solchen Streitbeilegung teilzunehmen, muss deutlich darauf hinweisen bzw. eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgeben und die Verbraucherschlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite angeben.
  4. Nur Unternehmer, die höchstens 10 Personen beschäftigen, sind von den dargestellten Verpflichtungen befreit.
  5. Ist eine (Rechts-)Streitigkeit bereits entstanden, so hat der Unternehmer den Verbraucher auf das mögliche Schlichtungsverfahren hinzuweisen, wenn die Streitigkeit nicht anderweitig beigelegt werden konnte.
  6. Unternehmer, die unter den Anwendungsbereich des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) fallen, müssen zum 1. Februar 2017 ihre Wohn- und Betreuungsverträge ergänzen  um die unter 1. und 3. dargestellten Informationen (§ 6 Absatz 3 Nr. 4 WBVG).

Über unsere aktuellen Seminar- und Vortragsthemen u.a. zum Pflegestärkungsgesetz II können Sie sich auf unserer Webseite informieren.

www.vandrey-hoofe.de/veranstaltungen/

 

Fotos: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof)


Impressum:

Christine Vandrey & Barbara Hoofe
Rechtsanwältinnen in Partnerschaft
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