Neues aus der Rechtsprechung
Das Betreuungsgericht darf freiheitsbeschränkende Maßnahmen genehmigen, solange kein milderes Mittel zur Verfügung steht.
(Beschluss des LG Arnsberg vom 27.08.2015, 5 T 229/15)
Das Landgericht (LG) Arnsberg hatte darüber zu
entscheiden, ob das zuständige Amtsgericht das Hochklappen von
Bettgittern genehmigen durfte, obwohl in der Altenpflegeeinrichtung
Niederflurbetten vorhanden waren, allerdings nicht in ausreichender
Anzahl.
Der Ehemann und gesetzliche Betreuer einer an Demenz
erkrankten Betreuten beantragte u.a. die Genehmigung, die Bettgitter
bei seiner Frau hochklappen zu lassen, da diese hochgradig
sturzgefährdet ist. Das Amtsgericht genehmigte die Maßnahme, nachdem die
zuständige Richterin die Betreute in der Einrichtung besucht hatte.
Hiergegen legte die Betreuungsstelle Beschwerde ein und begründete diese
damit, dass als milderes Mittel die Verwendung eines Niederflurbetts in
Betracht kommt.
Das LG Arnsberg bestätigte die Entscheidung des
Amtsgerichts. Aus Sicht des Gerichts ist die Pflegeeinrichtung zur
Wahrung der Grundrechte der Bewohner auf Freiheit der Person nach Art. 2
Absatz 1 Grundgesetz grundsätzlich dazu verpflichtet, in ausreichender
Zahl Niederflurbetten vorzuhalten. Finanzielle und personelle Erwägungen
spielen hingegen eine untergeordnete Rolle. Allerdings sei es nicht
Aufgabe des Betreuungsgerichts oder des gesetzlichen Betreuers, die
Einrichtung zur Anschaffung weiterer Niederflurbetten zu verpflichten.
Dies sei allein Aufgabe der Heimaufsicht.
Das Landgericht stellte weiter klar, dass das
Betreuungsgericht auch nicht im Rahmen eines betreuungsgerichtlichen
Amtsermittlungsgrundsatzes dazu verpflichtet ist, das Heim zu
überprüfen. Es müsse nur tätig werden, wenn auf Basis der bekannten
Fakten ein offensichtlich rechtswidriger Zustand vorliegt.
Anmerkung:
Das Amtsgericht hatte die freiheitsentziehende
Maßnahme nur für rund acht Monate genehmigt. Auch das Landgericht wies
in seiner Entscheidung darauf hin, dass das Hochklappen der Bettgitter
als freiheitsbeschränkende Maßnahme nur solange zulässig ist, bis ein
milderes Mittel zur Verfügung steht.
(Urteil des OLG Frankfurt vom 12.05.2015, 21 W 67/14, und Beschluss des BGH vom 26.10.2011, IV ZB 33/10)
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte darüber
zu entscheiden, ob ein Erbvertrag wirksam ist, den eine pflegebedürftige
Person mit der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes
geschlossen hatte.
Die Erblasserin war von dem ambulanten Pflegedienst
bis zu ihrem Tod betreut worden. Dabei hatten sich freundschaftliche
Beziehungen zwischen der Erblasserin und der Geschäftsführerin des
Pflegedienstes entwickelt. Mangels anderer Erben schlossen beide einen
Erbvertrag, in dem die Geschäftsführerin zur Alleinerbin eingesetzt
wurde.
Das OLG Frankfurt zog auf die Beschwerde des
Hessischen Regierungspräsidiums einen nach dem Tod der Erblasserin
bereits erteilten Erbschein wegen dessen Unrichtigkeit ein. Gemäß § 7
Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen
(HGBP) durfte sich die Geschäftsführerin nicht zur Alleinerbin einsetzen
lassen. Allein die Darlegung freundschaftlicher Beziehungen zwischen
ihr und der Erblasserin reichten für die Widerlegung der Vermutung nicht
aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Erbeinsetzung und den
vertraglichen Beziehungen aufgrund des Pflegevertrags bestanden hatte.
Bereits
im Jahr 2011 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) darüber zu entscheiden,
ob die Einsetzung einer stationären Behindertenhilfeeinrichtung zum
Nacherben zulässig war.
Die Eltern eines Bewohners hatten diesen zum
Vorerben eingesetzt und die Wohneinrichtung, in der er lebt, zum
Nacherben nach seinem Versterben. Die Behindertenhilfeeinrichtung hatte
zu Lebzeiten der Erblasser keine Kenntnis von ihrer Einsetzung als
Nacherbe. Erst nach Versterben der Eltern wurde ihr die Erbeinsetzung
bekannt.
Der BGH kam hier zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß
gegen § 14 Abs. 1 HeimG vorliegt. Ein solcher sei nur dann anzunehmen,
wenn sich der Heimträger oder dessen Mitarbeiter vom Erblasser etwas
"versprechen oder gewähren" lassen. Aufgrund der Unkenntnis der
stationären Einrichtung von der Einsetzung als Nacherbe liegt kein
Verstoß gegen § 14 Abs. 1 HeimG vor. Dies gelte sowohl für eine
stillschweigende Erbeinsetzung des Heimträgers durch den Bewohner selbst
als auch durch Dritte.
Hinweis:
Das im Heimgesetz geregelte Zuwendungsverbot ist
mittlerweile in alle Landesheimgesetze übernommen worden. Geklärt ist
nunmehr, dass die stationäre Einrichtung bzw. der ambulante Dienst keine
Kenntnis von der Einsetzung als Erbe haben darf, unabhängig davon ob
diese durch die pflegebedürftige Person oder einen Dritten erfolgt, der
in einer freundschaftlichen oder verwandtschaftlichen Verbindung mit der
pflegebedürftigen Person steht.
Informationspflichten
für stationäre Einrichtungen und ambulante Dienste ab 01.02.2017 durch
das Verbraucherstreitbeilegungs-Gesetz und das WBVG
Am 1. April 2016 ist das
Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft getreten. Das VSBG
regelt die Möglichkeiten der Verbraucher in Verbraucherstreitigkeiten
mit Unternehmern zukünftig eine außergerichtliche Schiedsstelle
anzurufen, anstelle die Streitigkeit vor Gericht auszutragen.
Das Verfahren vor den anerkannten
Schlichtungsstellen soll grundsätzlich kostenfrei sein. Das Verfahren
ist für alle Beteiligten freiwillig. Am 1. April 2016 hat zeitgleich mit
Inkrafttreten des Gesetzes die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle
mit Sitz in Kehl am Rhein ihre Tätigkeit aufgenommen (www.verbraucher-schlichter.de). Es ist sehr wahrscheinlich, dass diverse weitere Schlichtungsstellen in naher Zukunft deutschlandweit eingerichtet werden.
Das Bundesamt für Justiz hat am 6. April 2016 eine
Liste der Zuständigkeiten der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle
veröffentlicht. Danach soll eine außergerichtliche Schlichtung u.a. für
"Altenheime und häusliche Pflege" durchgeführt werden. Somit können
Schlichtungsverfahren zwischen Pflegebedürftigen und stationären
Einrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten dort geführt werden.
Zum 1. Februar 2017 treffen die betroffenen
Unternehmer gemäß §§ 36, 37 VSBG umfangreiche Informationspflichten
gegenüber den Verbrauchern als Vertragspartner:
- Unternehmer
haben auf ihrer Webseite und in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen
die Verbraucher darüber zu informieren, ob sie bereit und verpflichtet
sind, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer
Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
- Diese Informationen müssen leicht auffindbar sein.
- Ein
Unternehmer, der sich dazu verpflichtet, an einer solchen
Streitbeilegung teilzunehmen, muss deutlich darauf hinweisen bzw. eine
entsprechende Verpflichtungserklärung abgeben und die
Verbraucherschlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite angeben.
- Nur Unternehmer, die höchstens 10 Personen beschäftigen, sind von den dargestellten Verpflichtungen befreit.
- Ist
eine (Rechts-)Streitigkeit bereits entstanden, so hat der Unternehmer
den Verbraucher auf das mögliche Schlichtungsverfahren hinzuweisen, wenn
die Streitigkeit nicht anderweitig beigelegt werden konnte.
- Unternehmer,
die unter den Anwendungsbereich des Wohn- und
Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) fallen, müssen zum 1. Februar 2017
ihre Wohn- und Betreuungsverträge ergänzen um die unter 1. und 3.
dargestellten Informationen (§ 6 Absatz 3 Nr. 4 WBVG).