Neues aus der Rechtsprechung
Rund 23% Mehrkosten bei der Wahl eines Heimplatzes sind nicht unverhältnismäßig.
(Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.09.2016, L 15 SO 141/12)
Das
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte darüber zu entscheiden, ob
ein Landkreis als beklagter Sozialhilfeträger für den Zeitraum Juli
2009 bis Juli 2014 insgesamt rund 11.500,- € offene Heimkosten der
Klägerin gegenüber dem Pflegeheimträger im Rahmen der Hilfe zur Pflege
zu übernehmen hatte.
Die demenziell erkrankte Klägerin war im Juli 2009
in ein Pflegeheim an ihrem Wohnort umgezogen. Am Wohnort leben zwei
ihrer Töchter, die sich regelmäßig um sie kümmern. Der beklagte
Landkreis lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kostensatz der
Einrichtung um rund 23% teurer war, als der anderer Einrichtungen am Ort
und in der weiteren Umgebung. Die günstigeren Kostensätze der
Vergleichseinrichtungen ergaben sich daraus, dass diese vom Land
Brandenburg hinsichtlich ihrer Investitionskosten gefördert werden.
Das Sozialgericht Neuruppin wies die Klage zunächst
ab. Die hiergegen eingelegte Berufung vor dem LSG war im Wesentlichen
erfolgreich. Das Gericht verurteilte den Sozialhilfeträger zur Übernahme
von 11.459,83 € ungedeckter Heimkosten im streitigen Zeitraum.
Das LSG wies zunächst darauf hin, dass es schon
zweifelhaft sei, ob der beklagte Landkreis die Übernahme der Heimkosten
ablehnen durfte, obwohl er mit dem Pflegeheim wirksame
Kostensatzvereinbarungen abgeschlossen hat. Das Gericht lies diesen
Punkt allerdings ausdrücklich offen.
Aus Sicht des LSG hatte die Klägerin im Rahmen ihres
Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB XII das Recht, sich das Pflegeheim
auszusuchen, in das sie eingezogen war. Zunächst durfte der Beklagte sie
nicht auf Heime außerhalb ihres Wohnortes verweisen. Für einen
Kostenvergleich durfte er nur die verschiedenen Heime am Wohnort der
Klägerin heranziehen. Die hierbei ermittelten rund 23% Mehrkosten im
Vergleich zu einigen anderen ortsansässigen Pflegeheimen hielt das LSG
Berlin-Brandenburg für nicht unangemessen.
Das LSG stellte dabei ferner klar, dass ein
Kostenvergleich vom beklagten Sozialhilfeträger konkret anhand der
Tagessätze der verglichenen Einrichtungen vorzunehmen ist. Der Beklagte
hingegen hatte die Mehrkosten erst nach einer Anrechnung des
klägerischen Einkommens ermittelt. Dies führt aus Sicht des Gerichts zu
Ungleichbehandlungen von Betroffenen mir mehr oder weniger anrechenbarem
Einkommen.
Anmerkung:
Das LSG stellt in seinem Urteil klar, dass eine
Überschreitung der durchschnittlichen Heimkosten in Höhe von mehr als
50% in der Regel unverhältnismäßig sein dürfte. Es verweist auf
anderweitige Rechtsprechung, in der jedenfalls eine Überschreitung um
bis zu 29% noch für angemessen gehalten wurde.
Die Berufungsentscheidung des LSG Berlin-Brandenburg
ist nicht bestandskräftig geworden. Aktuell ist die Revision vor dem
Bundessozialgericht anhängig (Az. B 8 SO 30/16 R).
Bestandskraftregelung bei der Hilfe zur Pflege seit 01.01.2017 / Hilfe in sonstigen Lebenslagen
Durch das Pflegestärkungsgesetz III ist seit Januar
2017 die neu geregelte Hilfe zur Pflege im SGB XII in Kraft getreten.
Umfassende Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten danach nur noch
Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5. Personen mit dem Pflegegrad 1
erhalten im Wesentlichen einen Zuschuss i.H.v. 125,- € pro Monat.
Gemäß § 138 SGB XII erhalten Personen, die am
31.12.2016 Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten hatten, diese so
lange weiter, bis der zuständige Sozialhilfeträger eine eigene neue
Bedarfsermittlung nach § 63a SGB XII durchgeführt hat. Wird bei dieser
Bedarfsermittlung festgestellt, dass dem Betroffenen kein Pflegegrad
oder lediglich Pflegegrad 1 zusteht, so fallen die bisher gewährten
Leistungen der Hilfe zur Pflege mit dem Neufeststellungsbescheid bzw.
Aufhebungsbescheid weg. Sollte sogar ein höherer Bedarf festgestellt
werden, so erhält der Betroffene ab dem 01.01.2017 rückwirkend höhere
Leistungen.
Viele Sozialämter haben zum Jahreswechsel sämtliche
Leistungen an Heimbewohner eingestellt, die bis zum 31.12.2016 Hilfe zur
Pflege erhalten hatten und bei denen eine Pflegestufe 0 ohne
eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt war. Bis Ende letzten
Jahres hatte auch dieser Personenkreis unter bestimmten Voraussetzungen
Anspruch auf Hilfe zur Pflege. Dieser Anspruch ist nach § 138 SGB XII so
lange weiterhin gegeben, bis die zuständigen Sozialämter die
Bedarfsfeststellung nach § 63a SBG XII vorgenommen haben. Das Vorgehen
der Sozialämter ist somit rechtswidrig, wenn diese unter Nichtbeachtung
der Übergangsfrist ab 01.01.2017 die Leistungen eingestellt haben. Die
Bewohner bzw. deren rechtliche Vertreter können direkt vor dem
zuständigen Sozialgericht auf Leistung klagen, so dass die Einrichtungen
jedenfalls bis zu der erforderlichen Neufeststellung nach § 63a SGB XII
noch die Heimentgelte auf Basis der bis 31.12.2016 bewilligten Hilfe
zur Pflege zu erhalten haben.
Kommt der zuständige Sozialhilfeträger bei einer
Neufeststellung nach § 63a SGB XII zu dem Ergebnis, dass Hilfe zur
Pflege nicht mehr zu bewilligen ist, weil kein Pflegegrad bzw. nur
Pflegegrad 1 vorliegt und in stationären Einrichtungen Hilfe zur Pflege
erst ab dem Pflegegrad 2 zu bewilligen ist (§ 65 SGB XII), so sollte von
dem Betroffenen bzw. dessen rechtlichem Vertreter ein Antrag auf
Bewilligung von Hilfen in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII
gestellt werden. Durch die Gesetzesänderung ab Januar 2017 ist der
konkrete Hilfebedarf der Betroffenen nicht entfallen, kann nur aktuell
nicht mehr über die Hilfe zur Pflege sichergestellt werden. Ein Antrag
auf Basis des § 73 SGB XII erscheint daher sinnvoll.
Bei einer Ablehnung der Hilfen nach § 73 SGB XII
sollte von den Betroffenen bzw. deren rechtlichen Vertretern der
Rechtsweg vor die Sozialgerichte beschritten werden. Es bedarf dringend
einer Klärung, auf welcher Rechtsgrundlage die erforderlichen Hilfen den
Betroffenen von den Sozialhilfeträgern zu bewilligen sind.
Neue Schonvermögensgrenzen für alle Sozialhilfeempfänger
Aufgrund eines Entschließungsantrags des Deutschen
Bundestags, in dem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
aufgefordert worden war, die Schonvermögensgrenzen für sämtliche
Bezieher von Sozialhilfeleistungen zu erhöhen, wurde die Verordnung zu §
90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zum 01.04.2017 angepasst.
Seit April 2017 erhalten leistungsberechtigte
Personen sowie deren Ehegatten bzw. Lebenspartner jeweils einen
einheitlichen Schonvermögensbetrag i.H.v. 5.000,- € pro Person (bisher
1.600,- € bzw. 2.600,- € allein und 3.214,- € zu zweit). Alleinstehende
minderjährige Kinder erhalten ebenfalls einen Schonvermögensbetrag von
5.000,- €. Weitere 500,- € Schonvermögen erhält jede weitere Person, die
in Einstandsgemeinschaft mit dem Leistungsbezieher und dessen Ehegatten
bzw. Lebenspartner lebt.
Neuer Mindestlohn in der Pflege ab 2018
Am 25. April 2017 hat sich die Pflegesatzkommission
auf höhere Mindestlöhne für die Beschäftigten in der Pflege geeinigt.
Bis Ende 2017 sollen die Löhne danach unverändert bei 10,20 € pro Stunde
im Westen und 9,50 € pro Stunde im Osten bleiben.
Ab 2018 sollen die Mindestlöhne in der Pflege wie folgt steigen:
- 01.01.2018: 10,55 € im Westen / 10,05 € im Osten
- 01.01.2019: 11,05 € im Westen / 10,55 € im Osten
- 01.01.2020: 11,35 € im Westen / 10,85 € im Osten
Das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) muss diese Empfehlung
nun in eine Verordnung umsetzen, so dass die neuen Mindestlöhne ab
Januar 2018 gelten können. Nach Mitteilung des BMAS sind davon rund
900.000 Beschäftigte in der Pflege betroffen.