03/2017

Neues aus der Rechtsprechung

Die Heimaufsicht kann einen Aufnahmestopp bei Nichteinhaltung der Fachkraftquote anordnen.

(Beschluss des VG Dresden vom 06.02.2017, 1 L 519/16)

Das Verwaltungsgericht Dresden hatte u.a. darüber zu entscheiden, ob die Anordnung eines Neuaufnahmestopps durch die Heimaufsicht gegenüber einer Altenpflegeeinrichtung zulässig war.

Die Heimaufsicht hatte in der betroffenen Einrichtung eine unangekündigte Prüfung durchgeführt und festgestellt, dass an Prüftag neben einer Vielzahl an Pflegehelfern nur 5 Fachkräfte zur Betreuung und Pflege von 67 pflegebedürftigen Bewohnern im Einsatz waren, was einer Fachkraftquote von rund 23% entsprach. Gemäß § 3 Absatz 3 Nr. 2 Sächsisches Betreuungs- und Wohnqualitätgesetz (SächsBeWoG) hatte die Einrichtung eine Fachkraftquote von 50% einzuhalten.

Die Seniorenresidenz stellte einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlich vorgeschriebenen Fachkraftquote. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Zugleich erlies die Heimaufsicht einen Bescheid über einen Neuaufnahmestopp bis zur Erfüllung der vorgeschriebenen Fachkraftquote, dessen sofortige Vollziehung sie anordnete.

Die Pflegeeinrichtung beantragte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem VG Dresden u.a. die Wiederherstellung der aufschiebenen Wirkung ihres Widerspruchs gegen den mit Bescheid erlassenen Aufnahmestopp. Sie teilte mit, dass sie eine durchschnittliche Fachkraftquote von rund 34,5% erfüllt und ihre Leistungen bisher beanstandungsfrei erbringt. Aufgrund des Fachkräftemangels auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei es ihr nicht möglich, die erforderliche Quote zu erfüllen.

Das Verwaltungsgericht gab der Heimaufsicht Recht. Nach Auffassung des Gerichtes durfte die Heimaufsicht gemäß § 11 Absatz 1 SächsBeWoG einen Neuaufnahmestopp verhängen, um so eine drohende Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohner abzuwenden. Mit der gesetzlich geregelten Fachkraftquote stelle der Gesetzgeber klar, dass eine angemessene Betreuung und Pflege entsprechend dem anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse nur unter Einhaltung der vorgeschriebenen Fachkraftquote gefahrlos möglich sei. Das Gesetz eröffne kein Ermessen für die Einhaltung der Fachkraftquote.

Anmerkung:

Das Verwaltungsgericht Dresden berücksichtigt in seinem Beschluss die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht. Es stellt ausschließlich auf die gesetzlich geregelte Fachkraftquote ab. Eine Anpassung dieser Quote an die Arbeitsmarktsituation könnte nur durch den Gesetzgeber erfolgen.

Entsprechende Fachkraftquoten gelten auch in anderen Bundesländern. In Berlin und Brandenburg ist jeweils eine Fachkraftquote von 50% geregelt (vgl. § 8 Absatz 3 Nr. 1 Wohnteilhabe-Personalverordnung Berlin und § 4 Absatz 3 Strukturqualitätsverordnung Brandenburg).


Das Verschließen der Außentür einer Einrichtung stellt eine freiheitsentziehende Unterbringung dar.

(Beschluss des BHG vom 24.05.2017, XII ZB 577/16)

Der Bundesgerichtshof (BHG) hatte darüber zu entscheiden, ob eine auf den Rollstuhl angewiesene Bewohnerin in einer Behindertenhilfeeinrichtung geschlossen untergebracht werden durfte, indem die Außentüren verschlossen wurden.

Die Betroffene leidet an einem frühkindlichen Hirnschaden mit hochgradiger geistiger Behinderung bei vorhandenem Coffin-Lowry-Syndrom sowie an Epilepsie. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen. Seit 1999 lebt sie in einer Behindertenhilfeeinrichtung. Die geschlossene Unterbringung wurde wiederholt gerichtlich genehmigt. Das zuständige Amtsgericht genehmigte im November 2015 neuerlich die freiheitsentziehende Unterbringung. Hiergegen legte die Betroffene Beschwerde ein. Das Landgericht und der BGH wiesen die Beschwerde zurück.

Der BGH wies zunächst darauf hin, dass das Verschließen der Außentür eine freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist. Aus Sicht des Gerichts liegt eine solche freiheitsentziehende Unterbringung nur dann nicht vor, wenn der Betroffene faktisch nicht in der Lage ist, sich räumlich zu entfernen. Die im vorliegenden Verfahren betroffene Bewohnerin könne sich aber mit ihrem Rollstuhl vorwärts bewegen. Das psychiatrische Gutachten habe ferner ergeben, dass sie einen natürlichen Willen zur Fortbewegung bilden kann, so dass das Verschließen der Außentür ein Freiheitsentzug sei.

Eine solche freiheitsentziehende Unterbringung ist nach den Ausführungen des BGH nur genehmigungsfähig, wenn das Wohl der Betroffenen dies erforderlich macht, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Gefahr besteht, dass sie sich tötet oder einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Es muss eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen vorliegen, allerdings muss diese Gefahr nicht akut sein und sich unmittelbar zu verwirklichen drohen.

Bei der betroffenen Bewohnerin bejahte der BGH das Vorliegen einer solchen Gefahr, da sie die Einrichtung allein verlassen könnte und hierdurch im Straßenverkehr erheblichen Gefahren ausgesetzt wäre.

Anmerkung:

Das Verschließen der Außentüren darf von einer Aötenpflegeeinrichtung nur durchgeführt werden, wenn für alle hiervon betroffenen Bewohner ein betreuungsgerichtlicher Beschluss zur freiheitsentziehenden Unterbringung vorliegt. Ist dies nicht bei allen der Fall, haben Bewohner ohne Unterbringungsbeschluss das Recht, die Einrichtung jederzeit zu verlassen. Dies muss ggf. durch Schlüssel oder einen Pförtner sichergestellt sein.


Neues aus der Gesetzgebung

Erweiterte Regelungen zu Vergütungskürzungen sind seit dem 29.07.2017 in Kraft getreten.

 

Gemäß § 115 Absatz 3 SGB XI können die Pflegekassen die Vergütung einer Einrichtung so lange kürzen, wie diese ihre gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, insbesondere solche aus dem Versorgungsvertrag nicht einhält. Der Gesetzgeber hat § 115 SGB XI nunmehr um die Absätze 3a und 3b ergänzt, die weitere Konkretisierungen zum Recht der Vergütungskürzung regeln.

Gemäß § 115 Absatz 3a SGB XI kann der Pflegesatz gekürzt werden, wenn der Einrichtungsträger die im Pflegesatz verhandelten Gehälter nicht in voller Höhe an sein Pflegepersonal bezahlt. Ebenso droht eine Entgeltkürzung, wenn die vereinbarte Personalausstattung über einen längeren Zeitraum unterschritten wird. Bei vorsätzlichem Handeln des Einrichtungsträgers kann der Versorgungsvertrag gekündigt werden.

Gemäß § 115 Absatz 3b SGB XI sollten die Vertragsparteien bis zum 1. Januar 2018 das Verfahren zur Kürzung der Pflegevergütungen nach den Absätzen 3 und 3a vereinbaren. Die entsprechende Vereinbarung ist im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und gilt ab dem Folgemonat der Bekanntgabe für alle Pflegeeinrichtungen.


Über unsere aktuellen Seminar- und Vortragsthemen können Sie sich auf unserer Webseite informieren.

www.vandrey-hoofe.de/veranstaltungen/

 

Fotos: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof) / Deutscher Bundestag


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