Neues aus der Rechtsprechung
Sozialhilfeträger können selbst mitausgehandelte Pflegesätze nicht als "unverhältnismäßige Mehrkosten" ablehnen.
(Bundessozialgericht, Urteil vom 05.07.2018, B 8 SO 30/16 R)
Das
Bundessozialgericht (BSG) hatte darüber zu entscheiden, ob der
Landkreis Oberhavel als beklagter Sozialhilfeträger für den Zeitraum
Juli 2009 bis Juli 2014 insgesamt rund 11.500,- € offene Heimkosten des
klagenden Pflegeheimträgers im Rahmen der Hilfe zur Pflege zu übernehmen
hatte.
Die Klägerin betreibt eine landesrechtlich nicht
geförderte stationäre Pflegeeinrichtung. Zunächst hatte die betroffene
Bewohnerin selbst gegen den Sozialhilfeträger geklagt, verstarb
allerdings nach dem Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem LSG
Berlin-Brandenburg. Die Pflegeeinrichtung setzte das Revisionsverfahren
vor dem BSG als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 19 Abs. 6 SGB XII fort.
Der beklagte Sozialhilfeträger hatte die
Kostenübernahme in der Einrichtung der Klägerin abgelehnt, da der
Kostensatz in der Einrichtung um rund 1/5 höher lag als der anderer
Einrichtungen in der näheren und weiteren Umgebung. Die günstigeren
Kostensätze der Vergleichseinrichtungen ergaben sich daraus, dass diese
vom Land Brandenburg hinsichtlich ihrer Investitionskosten gefördert
werden.
Das BSG verurteilte den Sozialhilfeträger im
Wesentlichen zur Zahlung der offenen Heimentgelte im Rahmen der Hilfe
zur Pflege. Die der Klägerin geschuldeten Entgelte entsprächen ihrer
Höhe nach den Pflegesätzen nach dem SGB XI. An den entsprechenden
Pflegesatzverhandlungen sei der Beklagte beteiligt gewesen und habe den
getroffenen Vereinbarungen nicht widersprochen. Daher sei er an die
ausgehandelten Pflegesätze gebunden. Die Höhe der Investitionskosten
habe der Beklagte sogar direkt mit der Klägerin verhandelt.
Aus Sicht des BSG sind damit die vereinbarten
Vergütungen als wirtschaftlich anzusehen und stellen schon deshalb keine
"unverhältnismäßigen Mehrkosten" nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII dar.
Anmerkung:
Das Urteil des BSG, das bisher nur als
Terminsbericht vorliegt, verdeutlicht, dass die zwischen den
Kostenträgern (Pflegekassen, Sozialämter) und den Pflegeeinrichtungen
ausgehandelten Kostensätze von den Sozialämtern nicht pauschal als
unwirtschaftlich angesehen werden dürfen, wenn sie höher liegen, als die
anderer Pflegeeinrichtungen im Umfeld.
Die Entscheidung schließt an das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.09.2016 an, über das wir bereits im Newsletter Altenpflege 01/2017 berichtet hatten.
Die wichtigsten Änderungen des Mutterschutzgesetzes (Teil 1)
Am 01.01.2018 ist das reformierte Mutterschutzgesetz
(MuSchG) in Kraft getreten, das diverse Anpassungen und Neuregelungen
im Bereich des Schutzes von schwangeren und stillenden Frauen brachte.
In diesem und dem Newsletter Altenpflege 04/2018 werden Ihnen die
wesentlichen Neuregelungen vorgestellt.
Gemäß § 1 MuSchG wurde der Anwendungsbereich des
Gesetzes auf alle beschäftigten Frauen im sozialversicherungsrechtlichen
Sinne erweitert. Ausdrücklich mit aufgenommen wurden Schülerinnen,
Studentinnen, Praktikantinnen, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten,
Frauen im Bundes- oder Jugendfreiwilligendienst und Mitarbeiterinnen
einer geistigen Genossenschaft.
Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 MuSchG muss ein
Arbeitgeber der Mutter auf Antrag eine verlängerte nachgeburtliche
Schutzfrist von 12 Wochen gewähren, wenn sie ein behindertes Kind
geboren hat. Der Nachweis über die Behinderung des Kindes i.S.d. § 2 SGB
IX muss innerhalb von acht Wochen nach der Geburt durch ein ärztliches
Attest erbracht werden.
Wie bisher ist Mehrarbeit für schwangere und
stillende Frauen untersagt. Über 18jährige Frauen dürfen maximal 8,5
Stunden am Tag bzw. 90 Stunden innerhalb von zwei Wochen beschäftigt
werden. Bei unter 18jährigen Frauen ist die tägliche Arbeitszeit auf 8
Stunden begrenzt. Sie dürfen maximal 80 Stunden in zwei Wochen
beschäftigt werden. Der Arbeitgeber muss eine ununterbrochene Ruhezeit
von mindestens 11 Stunden gewähren (§ 4 MuSchG).
Schwangere und stillende Frauen dürfen zwischen
20.00 Uhr und 06.00 Uhr nicht beschäftigt werden. Für alle Berufsgruppen
gilt jetzt, dass der Arbeitgeber für eine Beschäftigung zwischen 20.00
Uhr und 22.00 Uhr eine Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Behörde
beantragen kann, wenn
- sich die Frau dazu ausdrücklich bereit erklärt,
- ein ärztliches Attest hinsichtlich der Unbedenklichkeit vorliegt und
- eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist (§ 28 MuSchG).
Weitere Ausnahmegenehmigungen für den Einzelfall sind in § 29 Abs. 3 Nr. 1 MuSchG geregelt.
Es besteht das grundsätzliche Verbot, schwangere und
stillende Frauen an Sonn- und Feiertagen zu beschäftigen. Allerdings
kann sich die betroffene Frau ausdrücklich im Rahmen der Regelungen des
Arbeitszeitgesetzes dazu bereit erklären, auch an Sonn- und Feiertagen
tätig zu werden (§ 6 MuSchG). Es muss insbesondere sichergestellt
werden, dass die betroffene Frau nicht alleine arbeitet. Ihr ist pro
Arbeitswoche dann ein Ersatzruhetag zu gewähren.
Neu geregelt wurde, dass eine stillende Mutter nur
noch in den ersten zwölf Monaten nach der Entbindung (bisher nicht
zeitlich begrenzt) einen Anspruch auf Freistellung zum Stillen in
bestimmten zeitlichen Grenzen täglich hat (§ 7 Abs. 2 MuSchG).
Bereits im Newsletter Altenpflege 03/2017 wurde
auf die erweiterten Regelungen zur Vergütungskürzung hingewiesen, die
mit einer Änderung des § 115 SGB XI eingeführt worden waren. Am
22.12.2017 wurde die Vereinbarung nach § 115 Abs. 3b SGB XI im
Qualitätsausschuss Pflege beschlossen.
Die Vereinbarung regelt das Verfahren zur Kürzung
der Pflegevergütungen. Eine Pflegeeinrichtung hält ihre Verpflichtung
zur qualitätsgerechten Leistungserbringung gemäß §§ 72 und 84 Abs. 5 und
6 SGB XI nicht ein, wenn sie
- planmäßig und zielgerichtet gegen die vereinbarte Personalausstattung verstößt,
- nicht nur vorübergehend die vereinbarte Personalausstattung unterschreitet oder
- die den Pflegesatzvereinbarungen zu Grunde gelegten Gehälter nicht bezahlt.
In diesen Fällen wird eine Pflichtverletzung unwiderlegbar vermutet.
Die Vereinbarung nach § 115 Abs. 3b SGB XI regelt in
den §§ 1a bis 1c, wann die vorgenannten Pflichtverstöße vorliegen
sollen. Die Verfahren zum Personalabgleich und zum Nachweis
nichtgezahlter Gehälter, die die vorgenannten Pflichtverstöße belegen
oder widerlegen sollen, sollen durch die Vertragspartner auf Länderebene
in den Rahmenvereinbarungen nach § 75 SGB XI geregelt werden. In den
Pflegesatzvereinbarungen nach § 85 SGB XI soll die Höhe eventueller
Vergütungskürzungen bei festgestellten Pflichtverstößen verhandelt
werden.
Zahlungsempfänger des Kürzungsbetrags sind nach § 5
der Vereinbarung vorrangig die betroffenen pflegebedürftigen Personen
und darüber hinaus die leistenden Kostenträger (Sozialämter und
Pflegekassen). Die Rückzahlungsempfänger sind schriftlich über die
Rückzahlung und deren Gründe zu informieren.
Die Vereinbarung nach § 115 Abs. 3b SGB XI im Wortlaut finden Sie hier.