Neues aus der Rechtsprechung
Keine Zahlungspflicht von Bewohner*innen, die vor Ablauf der Kündigungsfrist ausziehen.
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.10.2018, III ZR 292/17)
Der
Bundesgerichtshof (BGH) hatte darüber zu entscheiden, ob der klagende
Bewohner von dem beklagten Pflegeheim das für einen Zeitraum nach seinem
Auszug gezahlte Entgelt zurückverlangen konnte.
Der Kläger kündigte den Wohn- und Betreuungsvertrag
fristgemäß zu Ende Februar 2015. Er zog bereits am 14. Februar 2015 in
ein neues Pflegeheim um. Der Beklagte forderte von ihm den Ausgleich der
Heimkosten für den gesamten Monat Februar. Der Kläger zahlte den Betrag
zunächst, verlangte später aber von dem Beklagten u.a. die
Rückerstattung der Heimentgelte, die für den Zeitraum nach seinem Auszug
angefallen waren.
Der BGH sprach dem Kläger einen Anspruch auf
anteilige Rückerstattung der Heimentgelte zu, die ab dem Tag seines
Auszugs von dem Beklagten gefordert worden waren. § 87a Absatz 1 Satz 2
SGB XI regelt die Beendigung der Zahlungspflicht des Heimentgelts für
den Bewohner mit dem Tag des Auszugs oder Versterbens. Nach § 87a Absatz
1 Satz 3 SGB XI darf bei einem Umzug nur das aufnehmende Pflegeheim den
Umzugstag in Rechnung stellen. Aus Sicht des Gerichts gehen diese
Regelungen als Spezialregelungen gemäß § 15 Absatz 1 WBVG für
Bewohner*innen, die Leistungen nach dem SGB XI beziehen,
entgegenstehenden Regelungen im Heimvertrag bzw. der zivilrechtlichen
Kündigungsregelung des § 11 WBVG vor. Nach Auffassung des BGH ist eine
solche Gesetzesauslegung geboten, da Bewohner*innen hierdurch vor einer
doppelten Zahlungspflicht geschützt werden sollten. Pflegeheimbetreiber
würden die durch Leerstände verursachten Kosten im Rahmen ihrer
Auslastungskalkulation und durch gesonderte Wagnis- und Risikozuschläge
bereits vorab in die Pflegesätze einkalkulieren und allen Bewohner*innen
in Rechnung stellen.
Anmerkung:
Die Kündigungsregelungen des Wohn- und
Betreuungsvertrags bzw. des WBVG finden zwar weiterhin Anwendung,
verlieren allerdings durch das Urteil des BGH an Bedeutung. Zieht der
Bewohner bzw. die Bewohnerin vor Ablauf der Frist aus, dürfen nur noch
die bis zum Tag des Auszugs angefallenen Heimentgelte in Rechnung
gestellt werden. Bei einem Umzug in ein anderes Pflegeheim endet die
Zahlungspflicht am Tag vor dem Auszug.
Ebenso zu beachten ist, dass auch beim Tod von
Bewohner*innen jegliche Zahlungspflicht mit dem Tag des Versterbens
endet. Entgegenstehende Regelungen in Heimverträgen, wonach einzelne
Entgeltbestandteile noch bis zu 14 Tagen nach dem Versterben in Rechnung
gestellt werden können, verstoßen gegen die Regelung des § 87a Absatz 1
Satz 2 SGB XI.
(Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2018, C-684/16)
Der
Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte darüber zu entscheiden, ob der
Urlaubsanspruch für Mitarbeiter*innen verfällt, die bis zum Ende des
Kalenderjahres ihren Urlaub nicht beantragt haben.
Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass ein
befristet beschäftigter Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis zum Ende
des Jahres 2013 endete, vom Arbeitgeber aufgefordert worden war,
verbliebene 53 Urlaubstage in den Monaten November und Dezember zu
nehmen. Er nahm lediglich zwei Tage Urlaub und verlangte nach Ablauf des
Kalenderjahres und Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abgeltung
des restlichen Urlaubsanspruchs von 51 Tagen. Das Arbeitsgericht München
und das Landesarbeitsgericht München gaben dem klagenden Arbeitnehmer
Recht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah hier einen Widerspruch zur
Regelung des § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), wonach ein Arbeitnehmer
den Urlaub beantragen muss, damit der Anspruch nicht zum Jahresende
verfällt. Das BAG legte dem EuGH diese Frage zur Entscheidung vor.
Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass jedenfalls der
vierwöchige gesetzliche Mindesturlaub nicht schon deshalb verfallen
kann, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Die
Arbeitgeber seien in diesem Fall in der Pflicht, die Arbeitnehmer*innen
rechtzeitig vor Ablauf des Jahres aufzufordern, den Urlaub zu nehmen und
darauf hinzuweisen, dass der Urlaub anderenfalls verfällt. Allerdings
seien die Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet, Urlaub vor dem Jahresende
zwangsweise anzuordnen.
Anmerkung:
Die Sache ist nun wieder ans Bundesarbeitsgericht
zurückgegangen, das jetzt den konkreten Fall abschließend entscheiden
muss und hierbei Kriterien aufstellen muss, in welchem Umfang und auf
welche Weise Arbeitgeber die Mitarbeiter*innen über den drohenden
Verfall des Mindesturlaubs informieren müssen.
Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf den
vierwöchigen gesetzlichen Mindesturlaub. In Arbeitsverträgen können für
darüber hinausgehenden Urlaub abweichende Regelungen aufgenommen werden.
Hinsichtlich noch nicht genommenen Mindesturlaubs ist es zukünftig
angeraten, die Mitarbeiter*innen rechtzeitig vor Ablauf des Jahres auf
offene Mindesturlaubsansprüche und deren Verfall zum Jahresende
schriftlich hinzuweisen.
Die wichtigsten Änderungen des Mutterschutzgesetzes (Teil 2)
Am 01.01.2018 ist das reformierte Mutterschutzgesetz
(MuSchG) in Kraft getreten, das diverse Anpassungen und Neuregelungen
im Bereich des Schutzes von schwangeren und stillenden Frauen brachte.
Der hiesige Beitrag setzt die bereits im Newsletter Altenpflege 03/2018
begonnene Darstellung der wesentlichen Neuregelungen fort.
Gemäß § 9 MuSchG haben Arbeitgeber die
Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren
oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und
eine "unverantwortbare" Gefährdung ausgeschlossen wird. Es muss eine
Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich der Gestaltung der
Arbeitsbedingungen der betroffenen Personenkreise vorgenommen werden und
ggf. müssen Schutzmaßnahmen nach § 10 MuSchG getroffen werden. Für die
Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung gilt nun § 14 MuSchG. Alte
Gefährdungsbeurteilungen müssen hierauf umgestellt werden.
Wird eine "unverantwortbare" Gefährdung festgestellt, hat der Arbeitgeber Maßnahmen in folgender Reihenfolge durchzuführen:
- Umgestaltung der Arbeitsbedingungen,
- Umsetzung auf einen anderen geeigneten Arbeitsplatz,
- Falls beide vorgenannten Maßnahmen nicht ausreichen, ist ein Beschäftigungsverbot auszusprechen.
Neu
eingeführt wurde in § 17 Absatz 1 Nr. 2 MuSchG ein viermonatiger
Kündigungsschutz, falls die schwangere Frau nach der 12. Woche eine
Fehlgeburt erleidet. Das Verbot umfasst auch die Vorbereitungsmaßnahmen
einer Kündigung.
Nach Beendigung eines Beschäftigungsverbots haben
die betroffenen Arbeitnehmerinnen Anspruch auf Beschäftigung (§ 25
MuSchG). Ein entsprechender Arbeitsplatz ist freizuhalten.
Arbeitgeber müssen das neue Mutterschutzgesetz allen
Arbeitnehmerinnen bekannt machen ( § 26 MuSchG). Dies kann durch
Aushang oder Auslage erfolgen ebenso wie durch Zugänglichmachung in
einem für alle Arbeitnehmerinnen zugänglichen elektronischen
Verzeichnis.
Der Bußgeldkatalog wurde angepasst. U.a. wurde in §
32 Nr. 6 MuSchG der Verstoß gegen die Pflicht zur Erstellung einer
Gefährdungsbeurteilung neu aufgenommen.
Foto: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof); Europäischer Gerichtshof