04/2018

Neues aus der Rechtsprechung

Keine Zahlungspflicht von Bewohner*innen, die vor Ablauf der Kündigungsfrist ausziehen.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.10.2018, III ZR 292/17)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte darüber zu entscheiden, ob der klagende Bewohner von dem beklagten Pflegeheim das für einen Zeitraum nach seinem Auszug gezahlte Entgelt zurückverlangen konnte.

Der Kläger kündigte den Wohn- und Betreuungsvertrag fristgemäß zu Ende Februar 2015. Er zog bereits am 14. Februar 2015 in ein neues Pflegeheim um. Der Beklagte forderte von ihm den Ausgleich der Heimkosten für den gesamten Monat Februar. Der Kläger zahlte den Betrag zunächst, verlangte später aber von dem Beklagten u.a. die Rückerstattung der Heimentgelte, die für den Zeitraum nach seinem Auszug angefallen waren.

Der BGH sprach dem Kläger einen Anspruch auf anteilige Rückerstattung der Heimentgelte zu, die ab dem Tag seines Auszugs von dem Beklagten gefordert worden waren. § 87a Absatz 1 Satz 2 SGB XI regelt die Beendigung der Zahlungspflicht des Heimentgelts für den Bewohner mit dem Tag des Auszugs oder Versterbens. Nach § 87a Absatz 1 Satz 3 SGB XI darf bei einem Umzug nur das aufnehmende Pflegeheim den Umzugstag in Rechnung stellen. Aus Sicht des Gerichts gehen diese Regelungen als Spezialregelungen gemäß § 15 Absatz 1 WBVG für Bewohner*innen, die Leistungen nach dem SGB XI beziehen, entgegenstehenden Regelungen im Heimvertrag bzw. der zivilrechtlichen Kündigungsregelung des § 11 WBVG vor. Nach Auffassung des BGH ist eine solche Gesetzesauslegung geboten, da Bewohner*innen hierdurch vor einer doppelten Zahlungspflicht geschützt werden sollten. Pflegeheimbetreiber würden die durch Leerstände verursachten Kosten im Rahmen ihrer Auslastungskalkulation und durch gesonderte Wagnis- und Risikozuschläge bereits vorab in die Pflegesätze einkalkulieren und allen Bewohner*innen in Rechnung stellen.

Anmerkung:

Die Kündigungsregelungen des Wohn- und Betreuungsvertrags bzw. des WBVG finden zwar weiterhin Anwendung, verlieren allerdings durch das Urteil des BGH an Bedeutung. Zieht der Bewohner bzw. die Bewohnerin vor Ablauf der Frist aus, dürfen nur noch die bis zum Tag des Auszugs angefallenen Heimentgelte in Rechnung gestellt werden. Bei einem Umzug in ein anderes Pflegeheim endet die Zahlungspflicht am Tag vor dem Auszug.

Ebenso zu beachten ist, dass auch beim Tod von Bewohner*innen jegliche Zahlungspflicht mit dem Tag des Versterbens endet. Entgegenstehende Regelungen in Heimverträgen, wonach einzelne Entgeltbestandteile noch bis zu 14 Tagen nach dem Versterben in Rechnung gestellt werden können, verstoßen gegen die Regelung des § 87a Absatz 1 Satz 2 SGB XI.


Der Urlaubsanspruch für nicht genommenen (Mindest-)Urlaub verfällt nicht automatisch zum Jahresende.

(Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2018, C-684/16)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte darüber zu entscheiden, ob der Urlaubsanspruch für Mitarbeiter*innen verfällt, die bis zum Ende des Kalenderjahres ihren Urlaub nicht beantragt haben.

Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass ein befristet beschäftigter Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis zum Ende des Jahres 2013 endete, vom Arbeitgeber aufgefordert worden war, verbliebene 53 Urlaubstage in den Monaten November und Dezember zu nehmen. Er nahm lediglich zwei Tage Urlaub und verlangte nach Ablauf des Kalenderjahres und Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abgeltung des restlichen Urlaubsanspruchs von 51 Tagen. Das Arbeitsgericht München und das Landesarbeitsgericht München gaben dem klagenden Arbeitnehmer Recht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah hier einen Widerspruch zur Regelung des § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), wonach ein Arbeitnehmer den Urlaub beantragen muss, damit der Anspruch nicht zum Jahresende verfällt. Das BAG legte dem EuGH diese Frage zur Entscheidung vor.

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass jedenfalls der vierwöchige gesetzliche Mindesturlaub nicht schon deshalb verfallen kann, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Die Arbeitgeber seien in diesem Fall in der Pflicht, die Arbeitnehmer*innen rechtzeitig vor Ablauf des Jahres aufzufordern, den Urlaub zu nehmen und darauf hinzuweisen, dass der Urlaub anderenfalls verfällt. Allerdings seien die Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet, Urlaub vor dem Jahresende zwangsweise anzuordnen.

Anmerkung:

Die Sache ist nun wieder ans Bundesarbeitsgericht zurückgegangen, das jetzt den konkreten Fall abschließend entscheiden muss und hierbei Kriterien aufstellen muss, in welchem Umfang und auf welche Weise Arbeitgeber die Mitarbeiter*innen über den drohenden Verfall des Mindesturlaubs informieren müssen.

Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf den vierwöchigen gesetzlichen Mindesturlaub. In Arbeitsverträgen können für darüber hinausgehenden Urlaub abweichende Regelungen aufgenommen werden. Hinsichtlich noch nicht genommenen Mindesturlaubs ist es zukünftig angeraten, die Mitarbeiter*innen rechtzeitig vor Ablauf des Jahres auf offene Mindesturlaubsansprüche und deren Verfall zum Jahresende schriftlich hinzuweisen.


Neues aus der Gesetzgebung

Die wichtigsten Änderungen des Mutterschutzgesetzes (Teil 2)

 

Am 01.01.2018 ist das reformierte Mutterschutzgesetz (MuSchG) in Kraft getreten, das diverse Anpassungen und Neuregelungen im Bereich des Schutzes von schwangeren und stillenden Frauen brachte. Der hiesige Beitrag setzt die bereits im Newsletter Altenpflege 03/2018 begonnene Darstellung der wesentlichen Neuregelungen fort.

Gemäß § 9 MuSchG haben Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine "unverantwortbare" Gefährdung ausgeschlossen wird. Es muss eine Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsbedingungen der betroffenen Personenkreise vorgenommen werden und ggf. müssen Schutzmaßnahmen nach § 10 MuSchG getroffen werden. Für die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung gilt nun § 14 MuSchG. Alte Gefährdungsbeurteilungen müssen hierauf umgestellt werden.

Wird eine "unverantwortbare" Gefährdung festgestellt, hat der Arbeitgeber Maßnahmen in folgender Reihenfolge durchzuführen:

  1. Umgestaltung der Arbeitsbedingungen,
  2. Umsetzung auf einen anderen geeigneten Arbeitsplatz,
  3. Falls beide vorgenannten Maßnahmen nicht ausreichen, ist ein Beschäftigungsverbot auszusprechen.

Neu eingeführt wurde in § 17 Absatz 1 Nr. 2 MuSchG ein viermonatiger Kündigungsschutz, falls die schwangere Frau nach der 12. Woche eine Fehlgeburt erleidet. Das Verbot umfasst auch die Vorbereitungsmaßnahmen einer Kündigung.

Nach Beendigung eines Beschäftigungsverbots haben die betroffenen Arbeitnehmerinnen Anspruch auf Beschäftigung (§ 25 MuSchG). Ein entsprechender Arbeitsplatz ist freizuhalten.

Arbeitgeber müssen das neue Mutterschutzgesetz allen Arbeitnehmerinnen bekannt machen ( § 26 MuSchG). Dies kann durch Aushang oder Auslage erfolgen ebenso wie durch Zugänglichmachung in einem für alle Arbeitnehmerinnen zugänglichen elektronischen Verzeichnis.

Der Bußgeldkatalog wurde angepasst. U.a. wurde in § 32 Nr. 6 MuSchG der Verstoß gegen die Pflicht zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung neu aufgenommen.


Wir wünschen Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 

Foto: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof); Europäischer Gerichtshof


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