03/2019

Neues aus der Rechtsprechung

Gestaltung von Klauseln zur Zahlungspflicht in Wohn- und Betreuungsverträgen.

(BGH, Urteil vom 07.02.2019, III ZR 38/18)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte darüber zu entscheiden, ob die Formulierung von Klauseln im Wohn- und Betreuungsvertrag zur Zahlungsverpflichtung der Gäste einer Kurzzeitpflegeeinrichtung im Rahmen der AGB-Kontrolle gegen das Transparenzgebot verstieß.

Ein Kurzzeitpflegegast verweigerte nach Beendigung der Kurzzeitpflege die Zahlung seines Eigenanteils i.H.v. 690,46 €, da aus seiner Sicht die Zahlungsverpflichtung nicht wirksam im Wohn- und Betreuungsvertrag vereinbart worden war. Daraufhin erhob die Pflegeeinrichtung Zahlungsklage. Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht hingegen wies die Klage ab, da die einschlägigen Klauseln nicht der AGB-Kontrolle standhalten würden. Der BGH hob das Urteil auf und sprach der Pflegeeinrichtung die Vergütung zu.

Die Wohn- und Betreuungsverträge stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar, da die Pflegeeinrichtungen als Verwender dieser Verträge deren Inhalte den Kunden vorgeben. Gemäß § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB müssen solche Klauseln klar und verständlich formuliert sein. Die klagende Kurzzeitpflegeeinrichtung hatte hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung der Gäste im Wesentlichen die Inhalte der Regelungen des WBVG und der §§ 82 ff. SGB XI wiedergegeben.

Der BGH kam unter Anwendung der Kriterien der Transparenzkontrolle zu dem Ergebnis, dass die von der Pflegeeinrichtung verwendeten Klauseln in ausreichendem Maße transparent sind. Da sie inhaltlich, terminologisch und systematisch den Regelungen des WBVG und des SGB XI folgen, seien sie schon deshalb hinreichen bestimmt. Diese aus Sicht des Gerichts durchaus komplexe Gesetzeslage könne bei einer zu erwartenden sorgfältigen Durchsicht durch den Kurzzeitpflegegast zutreffend nachvollzogen werden, auch wenn er rechtlich nicht vorgebildet sei.

Anmerkung:

Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass es durchaus angeraten ist, sich bei der Gestaltung von Wohn- und Betreuungsverträgen hinsichtlich der Vergütungsregelungen - auch sprachlich - nahe an den gesetzlichen Grundlagen des WBVG und des SGB XI zu halten. Zwar sind entsprechend gestaltete Regelungen in den Verträgen keine "leicht verständliche" Sprache, bieten aber Rechtssicherheit bei der Gestaltung der Wohn- und Betreuungsverträge, wie das vorstehende Urteil bestätigt.


Die Anbringung eines Sicherheits-Chips an der Kleidung des Betroffenen stellt grundsätzlich keine freiheitsentziehende Maßnahme dar.

(Beschluss des AG Brandenburg/Havel vom 05.03.2019, 82 XVII 28/19)

Das Amtsgericht Brandenburg/Havel hatte darüber zu befinden, ob das Anbringen eines Sicherheits-Chips (bzw. Funkortungs- oder GPS-Chips) an der Kleidung bzw. im Schuh eines demenzkranken Betroffenen eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Nutzung eines Sicherheits-Chips grundsätzlich keine freiheitsentziehende Maßnahme i.S.d § 1906 Abs. 4 BGB darstellt. Hiervon umfasst seien u.a. diejenigen Freiheitsbeschränkungen, die ergriffen werden, um den Betroffenen in seiner willentlichen Bewegungsfreiheit auf einen eng begrenzten Raum zu beschränken. Aus Sicht des Amtsgerichts handelt es sich bei dem Sicherheits-Chip als Personenortungsanlage dann nicht um eine freiheitsentziehende Maßnahme, wenn sie lediglich ermöglichen soll festzustellen, ob der Betroffene infolge seiner krankheitsbedingten Weglauftendenz das Gebäude bzw. das Gelände verlassen will und sich dadurch ggf. in erhebliche Gesundheitsgefahren bringt.

Als unterbringungsähnliche Maßnahme nach § 1906 BGB genehmigungsbedürftig ist aus Sicht des Gerichts nur die Anbringung eines Sicherheits-Chips an der Kleidung bzw. im Schuh des Betroffenen, wenn dieser Chip zugleich verhindern würde, dass der Betroffene die Aus-/Eingangstür öffnen und die Einrichtung verlassen kann. Im zu entscheidenden Fall war dies aber gerade nicht der Fall.

Anmerkung:

In der Rechtsprechung setzt sich mehr und mehr die Ansicht durch, dass allein die Nutzung eines Ortungs-Chips bei Betroffenen keine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt. Erst wenn dieser Chip mit weitergehenden technischen Funktionen ausgestattet ist, die das Verlassen des Wohnbereichs oder Gebäudes unmöglich machen, soll eine freiheitsentziehende Maßnahme vorliegen. Der Bundesgerichtshof hatte hierzu entschieden, dass dann sogar eine freiheitsentziehende Unterbringung vorliegt (vgl. Newsletter Altenpflege 03/2017).


Hinweise zur Gestaltung von Wohn- und Betreuungsverträgen

Anforderungen nach Datenschutz-Grundverordnung und Verbraucherstreitbeilegungsgesetz sind in den Wohn- und Betreuungsvertrag einzuarbeiten.

Im Rahmen der Überarbeitung von Wohn- und Betreuungsverträgen fällt immer wieder auf, dass viele Pflegeeinrichtungen die bereits in den vergangenen Jahren erforderlich gewordenen Anpassungen der Wohn- und Betreuungsverträge noch nicht vorgenommen haben. Insbesondere wurden häufig die Datenschutzregelungen noch nicht an die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder die kirchlichen Datenschutzgesetze angepasst. Ferner fehlt häufig der Hinweis nach § 36 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in den Verträgen. Bei vielen älteren Verträgen ist es darüber hinaus angeraten, die zivilgerichtliche Rechtsprechung der vergangenen Jahre zur Unzulässigkeit einzelner Klauseln in den Wohn- und Betreuungsverträgen umzusetzen.

Die DS-GVO und das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz bringen darüber hinaus Verpflichtungen zur Anpassung der Webseiten mit sich, die zeitnah umgesetzt werden sollten, soweit dies noch nicht erfolgt ist. In diesem Zusammenhang wird auf einen Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 13.09.2018 (Az. 11 O 1741/18 UWG) verwiesen, wonach eine Datenschutzerklärung, die nicht den Anforderungen der DS-GVO entspricht, sowie die Nutzung eines Kontaktformulars auf einer unverschlüsselten Internetseite Wettbewerbsverstöße darstellen, die abgemahnt werden können. Erfreulicherweise gibt es zwischenzeitlich weitere Rechtsprechung, die einen entsprechenden Wettbewerbsverstoß verneint. Derzeit ist die Rechtsprechung hierzu aber noch sehr uneinheitlich.


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Foto: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof)


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