03/2020

Neues aus der Rechtsprechung

 

Für eine wirksame Heimvertragskündigung darf dem Pflegeheim die Betreuung der Betroffenen nicht länger zumutbar sein.

(OLG Oldenburg, Urteil v. 28.05.2020, 1 U 156/19)

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Pflegeheimträger eine wirksame Kündigung gegenüber einer demenzkranken Bewohnerin aussprechen durfte.

Die beklagte Bewohnerin leidet unter einer schweren Demenz. Sie war in die Demenzabteilung des klagenden Pflegeheims aufgenommen worden. Die Beklagte behauptete, oft über Stunden fixiert und mit Medikamenten ruhig gestellt worden zu sein. Nach Umstellung der Medikation ging die Beklagte regelmäßig tagsüber und nachts in andere Bewohnerzimmer und sah einem Bewohner bei der Intimhygiene zu, wenn diese durch Pflegekräfte durchgeführt wurde. Ferner behauptete die Klägerin, dass die Beklagte aggressive Verhaltensweisen an den Tag lege. Sie soll Pflegekräfte geboxt, anderen Personen ein Bein gestellt oder sie mit dem Rollator angefahren haben.

Die Klägerin kündigte daraufhin den Heimvertrag fristlos auf Basis einer Vereinbarung zum Ausschluss der Vertragsanpassung nach § 8 Abs. 4 WBVG und klagte auf Räumung des Heimplatzes. In der entsprechenden Zusatzvereinbarung zum Vertrag waren als Gründe u.a. Tätlichkeiten gegenüber Personen oder Zerstörung von Mobiliar aufgeführt, die zu Fremd- oder Selbstgefährdungen führen und/oder ein Zusammenleben mit den anderen Bewohnern in der Einrichtung unzumutbar machen.

Das Landgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Das Oberlandesgericht wies die Berufung zurück.

Das OLG Oldenburg kam zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin nicht unzumutbar ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen. Dies begründet das Gericht insbesondere damit, dass der Klägerin die Demenzerkrankung bei Aufnahme der Beklagten im Jahr 2015 bereits bekannt war und sie von Beginn an in der dortigen Demenzabteilung lebte. Aus Sicht des Gerichts sind damit gewisse Verhaltensauffälligkeiten hinzunehmen. Die geschilderten Vorfälle mit der Beklagten hält das Gericht nicht für so gravierend, dass sich die Klägerin aus dem Vertragsverhältnis lösen durfte, zumal sie keine tatsächlichen Schadensfälle wie schwere Stürze und Verletzungen anderer vorgetragen hatte.

Anmerkung:

Das Urteil macht deutlich, dass Heimträger nur in besonders schweren Fällen ein Recht haben, sich aus dem Vertragsverhältnis zu lösen. Die Fortsetzung muss dem Pflegeheim unzumutbar sein. Bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Interessen des gekündigten Bewohners auf Bestand des Vertragsverhältnisses den Interessen des Unternehmers auf Loskommen vom Vertrag bspw. aus Fürsorgepflicht gegenüber anderen Bewohnern und Mitarbeitern gegenüber zu stellen.

Bei einer Kündigung aufgrund einer Vereinbarung zum Ausschluss der Vertragsanpassung nach § 8 Abs. 4 WBVG ist darüber hinaus wichtig, dass der die Kündigung rechtfertigende Grund im Laufe des Vertragsverhältnisses hinzugekommen ist und nicht bereits bei Einzug bekannt war.


Neues aus der Gesetzgebung

Inkrafttreten des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (IPReG)

In den kommenden Tagen wird das IPReG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden und wird im Wesentlichen am Folgetag in Kraft treten. Das Gesetz nimmt u.a. im Bereich der außerklinischen Intensivpflege deutliche Änderungen vor.

Kernstück der Reform ist die Einführung von § 37c SGB V, der den Rechtsanspruch von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mit besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege auf außerklinische Intensivpflege regelt.

Zukünftig dürfen nur besonders qualifizierte Vertragsärzte die außerklinische Intensivpflege verordnen. Ein besonderes Augenmerk soll auf die Beatmungsentwöhnung gelegt werden. Die außerklinische Intensivpflege kann u.a. in Pflegeheimen erbracht werden. Hinsichtlich der Wahl des Leistungsortes ist zukünftig nur noch „berechtigten Wünschen“ der Betroffenen zu entsprechen. Der MDK hat vor Ort zu prüfen, ob und wie die medizinische und pflegerische Versorgung am ausgewählten Ort sichergestellt werden kann und ob Nachbesserungen erforderlich sind.

In §§ 37c Abs. 5, 62 Satz 2 SGB V wird eine Zuzahlungsbegrenzung von 10,- € pro Kalendertag für maximal 28 Kalendertage pro Jahr für die außerklinische Intensivpflege aufgenommen.

Pflegeheime, die außerklinische Intensivpflege anbieten, müssen mit den Landesverbänden der Kranken- und Ersatzkassen Versorgungsverträge abschließen. Diese sind spätestens innerhalb von 12 Monaten nach Erlass der Rahmenempfehlung der Bundesverbände der Kranken- und Pflegekasse auf Bundesebene abzuschließen.


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Fotos: © Land Niedersachsen


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