Neues aus der Rechtsprechung
Die Umsetzung einer Arbeitnehmerin nach Konflikt über FFP2-Masken ist rechtmäßig.
(ArbG Herne, Urteil v. 06.05.2021, 4 Ca 2437/20)
Das Arbeitsgericht (ArbG) Herne hatte darüber zu
entscheiden, ob die Umsetzung einer Krankenschwester durch den
Arbeitgeber rechtmäßig war.
Die klagende Krankenschwester ist seit dem Jahr 2000
im Krankenhaus des Beklagten beschäftigt. Zuletzt wurde sie auf der
Intensivstation eingesetzt. Dort werden auch an COVID-19 erkrankte
Patienten behandelt, sodass die Beschäftigten bei sämtlichen
pflegerischen Tätigkeiten FFP2-Masken tragen müssen. Der Arbeitgeber
hatte für FFP2-Masken Tragezeiten von 120 Minuten mit einer
nachfolgenden Tragepause von 15 Minuten festgelegt. Der Betriebsarzt
hatte keine Bedenken. Ferner hatte der Arbeitgeber den
Arbeitssicherheitsbeauftragten beteiligt und die Mitarbeitervertretung
einbezogen. Die Klägerin hatte sich daraufhin wiederholt an einen
Vorgesetzten auf der Intensivstation gewandt und bemängelt, dass die
Tragezeiten auf der Station von den Empfehlungen der Deutschen
Gesetzlichen Unfallversicherung abweichen, die eine Tragezeit von 75
Minuten und einer Pausenzeit von 30 Minuten vorsehen. Mit Wirkung zum
30.11.2020 wies der Arbeitgeber die Klägerin an, als Krankenschwester
auf einer anderen Station des Krankenhauses tätig zu werden. Hiergegen
wandte sich die Klägerin vor dem Arbeitsgericht.
Das Arbeitsgericht Herne kam zu dem Ergebnis, dass
der Arbeitgeber der Krankenschwester im Rahmen seines Direktions- und
Weisungsrechts einen anderen Arbeitsplatz im Krankenhaus zuweisen
durfte. Aus Sicht des Gerichts hat der Arbeitgeber durch die Umsetzung
der Krankenschwester deren Besorgnis um ihre Gesundheit wegen der
Tragezeiten der FFP2-Masken zeitnah Rechnung getragen und zugleich das
Konfliktpotential für alle Arbeitnehmer über Tragezeiten der FFP2-Masken
auf der Intensivstation reduziert, sodass der Betriebsfrieden in diesem
Bereich wiederhergestellt wurde.
Das Arbeitsgericht Herne kommt zu dem Ergebnis, dass
es sich bei der Umsetzung um eine verhältnismäßig milde Maßnahme
handelt, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für beide Parteien
ermöglicht. Da die Umsetzung im Wesentlichen unter Beibehaltung der
bisherigen Vergütung erfolgte, müsse das Interesse der Klägerin an der
Beibehaltung ihres bisherigen Arbeitsplatzes auf der Intensivstation
zurückstehen.
Hinweis:
Arbeitgeber haben im Rahmen ihres Direktions- und
Weisungsrechts das Recht, Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz
bzw. an einen anderen Arbeitsort umzusetzen. Voraussetzung ist, dass
diese Rechte nicht durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eingeschränkt
oder ausgeschlossen sind und dass die Maßnahme verhältnismäßig ist, also
keine weniger einschneidenden Maßnahmen gegenüber dem Arbeitnehmer
vorrangig anzuwenden sind.
(VG Koblenz, 2 Urteile vom 10.05.2021, 3 K 107/21.KO und 3 K 108/21.KO)
Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hatte darüber zu
entscheiden, ob einem Arbeitgeber Entschädigungsleistungen nach dem
Infektionsschutzgesetz für zwei Arbeitnehmerinnen zustehen, die in
14tägige häusliche Quarantäne mussten.
Der Arbeitgeber beantragte beim beklagten Land
Rheinland-Pfalz die Erstattung von Entschädigungszahlungen, die er
während der Zeit der Quarantäne an seine Mitarbeiterinnen für deren
Verdienstausfall geleistet hatte sowie von Sozialversicherungsbeiträgen.
Das Land gewährte lediglich für die Zeit ab dem sechsten Tag der
Absonderung eine Erstattung mit dem Hinweis, die Mitarbeiterinnen hätten
ggü. dem Arbeitgeber für die ersten fünf Tage der Quarantäne einen
Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Aus Sicht des VG Koblenz hat der Arbeitgeber für
Quarantänezeiten seiner Mitarbeiterinnen nach dem Infektionsschutzgesetz
grundsätzlich einen Anspruch auf Kostenerstattung. Dieser Anspruch
scheide aber aus, da den Mitarbeiterinnen trotz ihrer Verhinderung an
der Ausübung ihrer Tätigkeit gegen den Arbeitgeber ein
Lohnfortzahlungsanspruch zusteht. Gemäß § 616 Satz 1 BGB
besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer für eine
nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne
sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Dies sei hier
der Fall gewesen. Bei den behördlichen Quarantäneanordnungen, die
aufgrund eines Ansteckungsverdachts der Arbeitnehmerinnen der Klägerin
ergangen sind, handelt es sich um ein in deren Person liegendes
Leistungshindernis.
Hinweis:
Es bleibt abzuwarten, ob dieses Urteil Bestand haben
wird und der Sachverhalt von anderen Verwaltungsgerichten ebenso
entschieden wird.
Typische Anwendungsfälle von § 616 Satz 1 BGB sind
auch die kurzfristige unverschuldete Arbeitsverhinderung des
Arbeitnehmers wegen eines Arztbesuchs, der Pflege eines erkrankten
Kindes, der eigenen Eheschließung, der Geburt eines Kindes oder einer
Zeugenaussage vor Gericht. Es ist möglich, die Regelung des § 616 BGB im
Arbeitsvertrag abzubedingen.
Die Pflegereform wurde von Bundestag und Bundesrat verabschiedet.
Die wichtigsten Neuregelungen im Überblick:
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Ab
dem 1. September 2022 sollen nur noch Pflegeeinrichtungen zur
Versorgung zugelassen werden, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach
Tarif oder kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen bezahlen oder
mindestens in Höhe eines Tarifvertrags oder einer
kirchenarbeitsrechtlichen Regelung entlohnen.
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Die
Bezahlung nach Tarif wird vollständig refinanziert. Für Einrichtungen,
die nicht tarifgebunden sind, wird eine Refinanzierung bis zur Höhe von
10% über dem Durchschnitt der regional geltenden Tariflöhne
gewährleistet.
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Um Pflegebedürftige vor Überforderung
durch steigende Pflegekosten zu schützen, zahlt die Pflegeversicherung
bei der Versorgung im Pflegeheim künftig neben dem nach Pflegegrad
differenzierten Leistungsbetrag einen Zuschlag. Er steigt mit der Dauer
der Pflege: Im ersten Jahr trägt die Pflegekasse 5% des pflegebedingten
Eigenanteils, im zweiten Jahr 25%, im dritten Jahr 45% und danach
70%.
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In der ambulanten Pflege werden die
Sachleistungsbeträge um 5% erhöht, um auch dort den steigenden
Vergütungen Rechnung zu tragen.
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Pflegefachkräfte
erhalten mehr Entscheidungsbefugnisse bei der Auswahl des richtigen
Hilfsmittels und Pflegehilfsmittels im Sinne der Pflegebedürftigen.
Außerdem sollen die Fachkräfte eigenständige Entscheidungen in der
häuslichen Krankenpflege treffen dürfen.
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Es
werden gesetzlich starke Anreize für den Ausbau der Kurzzeitpflege
gesetzt. Um die Pflegebedürftigen nicht zu belasten, wird der
Leistungsbetrag der Pflegeversicherung zur Kurzzeitpflege zudem um 10%
angehoben. Außerdem wird ein neuer Anspruch auf eine bis zu
zehntägige Übergangspflege im Krankenhaus eingeführt. Sie kann genutzt
werden, falls im Anschluss an eine Krankenhausversorgung eine Pflege im
eigenen Haushalt oder einer Kurzzeitpflege nicht sichergestellt werden
kann.
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Zur Finanzierung der Pflegeversicherung wird ab
dem Jahr 2022 ein Bundeszuschuss in Höhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr
einführt. Zudem steigt der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1%.
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In
Pflegeheimen wird künftig ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel
gelten: Mit einem neuen Personalbemessungsverfahren wird anhand der
jeweiligen Bewohnerstruktur für jedes Pflegeheim der Personalbedarf
berechnet. Bereits seit 1. Januar 2021 können die Pflegeheime vor diesem
Hintergrund 20.000 zusätzliche Pflegehilfskräfte einstellen. Ab 1. Juli
2023 werden bundeseinheitliche Personalanhaltszahlen vorgegeben, die
die Einstellung von weiterem Personal ermöglichen.
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Die
Gesetzlichen Krankenkassen erhalten 2022 einen zusätzlichen
Bundeszuschuss in Höhe von 7 Milliarden Euro. Dadurch soll der
Zusatzbeitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung auch 2022 stabil
bei 1,3 Prozent gehalten werden.
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Qualitätsverträge werden gestärkt: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird verpflichtet, bis
Ende des Jahres 2023 vier weitere Leistungen oder Leistungsbereiche
festzulegen, bei denen die Qualitätsverträge erprobt werden.
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Die
Festlegung und Durchsetzung von Mindestmengen in der
Krankenhausversorgung wird durch weitere Verfahrensvorgaben
unterstützt.
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Zur Förderung von Transparenz und
Qualität der Versorgung wird die Veröffentlichung einrichtungsbezogener
Vergleiche hinsichtlich der Erfüllung von Qualitätskriterien
ermöglicht.
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Patientenbefragungen im Krankenhaus werden weiterentwickelt.
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Der Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung wird für weitere planbare Eingriffe, die der G-BA festzulegen hat, vorgesehen.
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Zur
Förderung der Transparenz über den Pflegepersonaleinsatz in den
Krankenhäusern werden die Pflegepersonalquotienten künftig auf der
Internetseite des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlicht.
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Die Refinanzierungsmöglichkeiten für klinische Sektionen zur Qualitätssicherung werden verbessert.
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Der
Anteil der gesetzlichen Krankenversicherung (und anteilig der privaten
Krankenversicherung) an der Finanzierung von ambulanten
Krebsberatungsstellen wird verdoppelt, von einem Gesamtbetrag von
derzeit bis zu 21 Millionen Euro auf bis zu 42 Millionen Euro jährlich.
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Die
Regelungen zu ambulanten Notfallstrukturen und Terminservicestellen
werden weiterentwickelt, insbesondere durch ein standardisiertes und
bundesweit einheitliches Ersteinschätzungsverfahren bei ambulanten
ärztlichen Notfallleistungen in Krankenhäusern.
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Es
wird ein Modellvorhaben zur umfassenden Diagnostik und Therapiefindung
sowohl bei seltenen als auch bei onkologischen Erkrankungen
implementiert. Grundlage des Modellvorhabens ist die umfangreiche
Genomsequenzierung im Rahmen eines strukturierten klinischen
Behandlungsablaufs und die darauf aufbauende Datenzusammenführung von
klinischen und genomischen Daten in einer Dateninfrastruktur, die eine
Analyse der gewonnenen Daten zur Verbesserung der medizinischen
Versorgung erleichtert.
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Die Landesverbände der
Krankenkassen und die Ersatzkassen beteiligen sich an der Finanzierung
der Koordination von Aktivitäten in regionalen Hospiz- und
Palliativnetzwerken.
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Erhebungen zu
Gesundheitsausgaben und ihrer Finanzierung, zu Krankheitskosten und zum
Personal im Gesundheitswesen sowie zu einem regionalem
Gesundheitspersonalmonitoring werden als zentrale Bundesstatistiken
angeordnet.
Quelle: David Schneider, Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln
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