03/2021

Neues aus der Rechtsprechung

 

Eine Reservierungsgebühr für einen Zeitraum vor Einzug der pflegebedürftigen Person darf das Pflegeheim nicht erheben.

(BGH, Urteil v. 15.07.2021, III ZR 225/20)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte darüber zu entscheiden, ob die Vereinbarung einer Platzgebühr in Höhe des Freihaltegeldes zwischen Pflegeheim und zukünftiger Bewohnerin für einen Zeitraum vor ihrem konkreten Einzug rechtmäßig war.

Die mittlerweile verstorbene Bewohnerin der Pflegeeinrichtung des Beklagten war bei einer privaten Pflegepflichtversicherung versichert. Ihr Sohn als ihr rechtlicher Vertreter schloss mit der Pflegeeinrichtung einen Heimvertrag ab 15.02.2016. Der Einzug der Bewohnerin erfolgte am 29.02.2016. Vertraglich wurde für den Zeitraum ab Vertragsbeginn bis zum Einzug die Zahlung einer Platzgebühr i.H.v. 75% der vereinbarten Gesamtkosten geregelt. Die in Rechnung gestellte Reservierungsgebühr wurde zunächst bezahlt. Im Jahr 2018 forderte der Sohn die Pflegeeinrichtung zur Rückzahlung auf und erhob Klage, als diese die Rückzahlung verweigerte.

Der BGH urteilte, dass die Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr mit § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG und § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI unvereinbar ist.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG müssen die zwischen Pflegeeinrichtungen und Bewohnern geschlossenen Vereinbarungen den Regelungen des 7. und 8. Kapitels des SGB XI (§§ 69 bis 92b SGB XI) entsprechen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 seien Vereinbarungen unwirksam, die nicht den Regelungen des 7. und 8. Kapitels des SGB XI entsprechen. § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI wiederum regele eine Zahlungspflicht der Bewohner von Pflegeeinrichtungen erst ab dem Tag der Aufnahme in die Einrichtung. Aus Sicht des Gerichtes schließen diese gesetzlichen Regelungen die wirksame Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr mit Bewohnern für einen Zeitraum vor ihrem tatsächlichen Einzug in die Pflegeeinrichtung aus.

Der BGH stellt ferner klar, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG auch Anwendung auf Heimverträge mit Bewohnern findet, die Leistungen der privaten Pflegepflichtversicherung erhalten. Nach seiner Auffassung sprechen hierfür sowohl der enge systematische Zusammenhang und die leistungsmäßige Gleichstellung der sozialen und der privaten Pflegeversicherung als auch der in der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wille.

Hinweis:

Reservierungsvereinbarungen mit zukünftigen Bewohnern sind nach der Entscheidung des BGH unzulässig. Das gilt unabhängig davon, ob die Bewohner gesetzlich oder privat versichert ist. Ob entsprechende Vereinbarungen mit Dritten auch unzulässig sind, ist von der Rechtsprechung noch zu entscheiden.


Belegungsstopp bei zu geringer Personalausstattung.

(OVG Bremen, Beschluss vom 14.06.2021, 2 B 106/21)

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen hatte darüber zu entscheiden, ob die aufschiebende Wirkung der Klage einer Pflegeeinrichtung gegen die Heimaufsicht hinsichtlich einer Anordnung zur Personalausstattung und gegen einen Belegungsstopp in einem von ihr betriebenen Altenpflegeheim angeordnet werden sollte.

Die Antragstellerin betreibt ein Altenpflegeheim mit 136 vollstationären Pflegeplätzen. Die Wohn- und Betreuungsaufsicht Bremen führte zum Stichtag 01.07.2019 eine Personalprüfung durch, bei der sie u.a. zu dem Ergebnis kam, dass der vereinbarte Personalschlüssel um 10 % unterschritten wurde und die Fachkraftquote statt 50% nur 42,75% betrug. Eine weitere Personalprüfung durch die Wohn- und Betreuungsaufsicht zum Stichtag 01.08.2019 kam zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern die Fachkraftquote bei rund 40% lag. Im Juli und August 2019 war darüber hinaus die vorgeschriebene Personalpräsenz im Tag- und Nachtdienst mehrfach nicht erfüllt worden.

Die Wohn- und Betreuungsaufsicht Bremen sprach daraufhin gegenüber der Pflegeheimbetreiberin die Verpflichtung aus, die Fachkraftquote ab sofort einzuhalten und verhängte darüber hinaus einen Belegungsstopp. Hiergegen klagte die Antragstellerin und begehrte im einstweiligen Rechtsschutz die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Wohn- und Betreuungsaufsicht. Das Verwaltungsgericht Bremen lehnte dies ab. Das OVG Bremen verwarf die Beschwerde der Pflegeheimbetreiberin gegen diesen Beschluss.

Das OVG Bremen führt hierzu aus, dass Pflege- und Betreuungseinrichtungen nur betrieben werden dürfen, wenn Pflege- und Betreuungskräfte in ausreichender Zahl und Qualität vorhanden sind. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn Verträge mit den Kostenträgern nach dem SGB XI vorliegen und die darin vereinbarte Personalausstattung gegeben ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz).

Die Pflegeheimbetreiberin hatte im Verfahren einen Gegenrechnung zur Personalausstattung hinsichtlich der Fachkraftquote vorgenommen und errechnete eine Quote von 46% Fachkräften. Das OVG Bremen stellt in seiner Entscheidung klar, dass jede Unterschreitung der zwischen den Pflegesatzparteien vereinbarten Fachkraftquote die Anordnungen der Wohn- und Betreuungsaufsicht rechtfertigen. Jede Unterschreitung stelle laut Gesetzesbegründung zu § 15 BremWoBeG eine Zweckentfremdung eines Teils der Pflegevergütung dar.

Hinweis:

Die Anordnungen der Wohn- und Betreuungsaufsicht Bremen ergingen, obwohl die Unterschreitung der Fachkraftquote keine erheblichen Pflegemängel in der Einrichtung verursachte. Unabhängig von etwaigen Pflegemängeln haben Pflegeeinrichtungen die in der Pflegesatzvereinbarung verhandelte Personalausstattung im vereinbarten Umfang vorzuhalten.


Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.vandrey-hoofe.de

Foto: © Joe Miletzki; Land Bremen


Klicken Sie hier, wenn Sie den Newsletter Altenpflege abbestellen möchten.


Impressum:

Christine Vandrey & Barbara Hoofe
Rechtsanwältinnen in Partnerschaft
Kaiserdamm 88
14057 Berlin
E-Mail: info@vandrey-hoofe.de
Internet: www.vandrey-hoofe.de