Neues aus der Rechtsprechung
Das Sozialamt hat Verzugszinsen zu zahlen, wenn es eine Rechnung zu spät begleicht.
(Urteil des BGH vom 07.05.2015, III ZR 304/14)
Der
Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte ein Urteil des Landgerichts Berlin,
wonach ein Sozialamt einem ambulanten Pflegedienst aufgrund säumiger
Zahlung von Rechnungen Verzugszinsen und Rechtsanwaltskosten zu
erstatten hatte.
In der Vergütungsvereinbarung zwischen dem
ambulanten Pflegedienst und dem Land Berlin als Kostenträger war u.a.
geregelt, dass Rechnungen innerhalb von drei Wochen nach deren Eingang
beim Sozialhilfeträger beglichen werden sollen. Das zuständige Sozialamt
beglich drei Rechnungen der Klägerin ohne besonderen Grund nicht in der
vereinbarten Frist. Hierauf mahnte diese das Sozialamt und schaltete
aufgrund weiterhin ausbleibender Zahlung eine Rechtsanwältin ein, die
gegenüber dem Sozialamt neben den offenen Rechnungsbeträgen
Verzugszinsen und ihre Anwaltsgebühren geltend machte. Das Sozialamt
glich daraufhin die Rechnungsbeträge aus, verweigerte allerdings die
Zahlung der Verzugszinsen und Rechtsanwaltsgebühren.
Der Bundesgerichtshof schloss sich der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, wonach im ambulanten Bereich
ebenso wie im stationären Bereich das sog. sozialrechtliche
Dreiecksverhältnis besteht. Danach bestehen jeweils eigenständige
Rechtsbeziehungen zwischen dem ambulanten Dienst und der
betreuungsbedürftigen Person aufgrund eines Betreuungsvertrags, zwischen
dem ambulanten Dienst und dem Sozialhilfeträger aufgrund der
Vergütungsvereinbarung und zwischen dem Sozialamt und der
betreuungsbedürftigen Person als Anspruch auf Eingliederungshilfe. Das
Sozialamt begleicht die Rechnungen des ambulanten Dienstes aufgrund
eines sog. Schuldbeitritts zugunsten der betreuungsbedürftigen Person.
Im stationären Bereich gilt dieselbe Systematik.
Das beklagte Sozialamt war der Auffassung, dass der
zivilrechtliche Schuldbeitritt durch das öffentlich-rechtliche
Verhältnis zwischen dem ambulanten Pflegedienst und ihm überlagert
würde, so dass Verzugszinsen und Schadensersatz aufgrund verspäteten
Rechnungsausgleichs nicht anfallen könnten. Dieser Rechtsauffassung
erteilte der BGH eine klare Absage. Aufgrund des Schuldbeitritts besteht
nach Ansicht des Gerichts ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis
zwischen dem Sozialamt und dem ambulanten Dienst. Das Sozialamt komme
wie jeder andere Schuldner in Verzug, wenn es keine Zahlungen leistet
und gemahnt wird.
Hinweis:
Nur in seltenen Fällen ist in
Vergütungsvereinbarungen oder Rahmenverträgen geregelt, dass der
Kostenträger bei verspätetem Ausgleich der Rechnung in Verzug kommt. Die
Rechnungen an den Kostenträger sollten daher ein konkretes Datum
enthalten, bis zu dem die Einrichtung den Ausgleich der Rechnung
erwartet. Sollte die Zahlung bis dahin nicht erfolgt sein, so ist der
Kostenträger mit einer Mahnung in Verzug zu setzen, in der wiederum eine
letztmalige Zahlungsfrist eingeräumt wird. Bleibt die Zahlung dann
weiterhin aus, hat das Sozialamt Verzugszinsen und für die Beitreibung
der Rechnungsbeträge ggf. anfallende Rechtsanwaltsgebühren der
Einrichtung zu bezahlen.
(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.2015, 10 AZR 423/14)
Das
Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu entscheiden, welcher
Nachtarbeitszuschlag nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern vom Arbeitgeber
zu zahlen ist.
Der klagende Arbeitnehmer arbeitete bei der
beklagten Arbeitgeberin regelmäßig in der Zeit von 20.00 Uhr bis 06.00
Uhr. Eine Tarifbindung bestand nicht. In der Zeit von 21.00 Uhr bis
06.00 Uhr zahlte die Arbeitgeberin zuletzt einen Nachtzuschlag von 20%
auf den Stundenlohn. Der Kläger begehrte in der Zeit von 23.00 Uhr bis
06.00 Uhr einen Zuschlag von 30% auf seinen Stundenlohn.
Das BAG gab dem Kläger Recht. Nach Auffassung des
Gerichtes steht Arbeitnehmern nach § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz ein
Nachtzuschlag auf den Stundenlohn zu, der sich bei gelegentlicher
Nachtarbeit auf 25% beläuft. Sei der Arbeitnehmer hingegen regelmäßig
nachts tätig, so stehe ihm ein Vergütungszuschlag von 30% auf den
Stundenlohn zu. Das Gericht sieht dies aufgrund der besonderen Belastung
des regelmäßig nachts tätigen Arbeitnehmers als gerechtfertigt an.
Anmerkung:
In Tarifverträgen können die Tarifparteien
abweichende Nachtarbeitszuschläge vereinbaren. Findet kein Tarifvertrag
Anwendung, so ist bei gelegentlicher Nachtarbeit ein Vergütungsaufschlag
von 25% und bei regelmäßiger Nachtarbeit ein Vergütungsaufschlag von
30% auf den Stundenlohn zu zahlen. Alternativ kann der Ausgleich in
einer entsprechenden Anzahl vergüteter freier Tage erfolgen.
(Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.06.2015, L 7 SO 1447/11)
Das LSG Baden-Württemberg hatte darüber zu
entscheiden, ob der Sozialhilfeträger einer stationären
Behindertenhilfeeinrichtung gegenüber zum Ausgleich von Mehrkosten
oberhalb der zwischen den Parteien in der Vergütungsvereinbarung
geregelten Kostensätze verpflichtet war.
Die Bewohnerin leidet unter erheblichen
Verhaltensauffälligkeiten, die im Vergleich zu den anderen Bewohnern
einen deutlichen Betreuungsmehraufwand mit sich bringen. Die Einrichtung
traf eine schriftliche Zusatzvereinbarung mit der gesetzlichen
Betreuerin, in der eine zusätzliche Vergütung für den
Betreuungsmehraufwand vereinbart wurde. Eine konkrete Abgrenzung der
erbrachten Mehrleistungen gegenüber den mit den Kostensätzen des
beklagten Landkreises vergüteten Leistungen erfolgte durch die
Einrichtung nicht.
Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass der beklagte
Landkreis nicht dazu verpflichtet war, die zwischen der Einrichtung und
der Bewohnerin vereinbarten Mehrkosten zu übernehmen. Die entsprechende
Zusatzvereinbarung zwischen den Vertragsparteien ist nach Auffassung des
Gerichts unwirksam, da die Einrichtung nicht dazu berechtigt war, eine
zusätzliche Vergütung zu fordern. Sie habe die Kostensätze bindend mit
dem Sozialhilfeträger verhandelt. Wenn diese Kostensätze nicht
ausreichend seien, so sei die Einrichtung dazu verpflichtet, neue
Kostensätze mit dem Kostenträger zu verhandeln. Nach Ansicht des LSG
überlagert das öffentliche-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem
Kostenträger und der Einrichtung das zivilrechtliche Rechtsverhältnis,
das zwischen der Einrichtung und der Bewohnerin besteht und macht jede
von der Vergütungsvereinbarung abweichende Zusatzvereinbarung unwirksam.
Anmerkung:
Das Bundessozialgericht hatte in einer ähnlichen
Entscheidung am 25.09.2014 (vgl. Newsletter Juli 2015) noch offen
gelassen, ob zivilrechtliche Zusatzvereinbarungen mit höheren
Vergütungen bei erhöhtem Betreuungsaufwand wirksam sind. Nunmehr stellt
das LSG Baden-Württemberg klar, dass Einrichtungen solche Vereinbarungen
nicht wirksam schließen können. Sie sind dazu verpflichtet,
auskömmliche Kostensätze zu verhandeln und ggf. im Rahmen der
Vergütungsvereinbarung mit dem Kostenträger eine Refinanzierung von
Betreuungsmehraufwand zu vereinbaren.
Fotos: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof); Bundesarbeitsgericht