Dezember 2015

Neues aus der Rechtsprechung

Das Sozialamt hat Verzugszinsen zu zahlen, wenn es eine Rechnung zu spät begleicht.

(Urteil des BGH vom 07.05.2015, III ZR 304/14)

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte ein Urteil des Landgerichts Berlin, wonach ein Sozialamt einem ambulanten Pflegedienst aufgrund säumiger Zahlung von Rechnungen Verzugszinsen und Rechtsanwaltskosten zu erstatten hatte.

In der Vergütungsvereinbarung zwischen dem ambulanten Pflegedienst und dem Land Berlin als Kostenträger war u.a. geregelt, dass Rechnungen innerhalb von drei Wochen nach deren Eingang beim Sozialhilfeträger beglichen werden sollen. Das zuständige Sozialamt beglich drei Rechnungen der Klägerin ohne besonderen Grund nicht in der vereinbarten Frist. Hierauf mahnte diese das Sozialamt und schaltete aufgrund weiterhin ausbleibender Zahlung eine Rechtsanwältin ein, die gegenüber dem Sozialamt neben den offenen Rechnungsbeträgen Verzugszinsen und ihre Anwaltsgebühren geltend machte. Das Sozialamt glich daraufhin die Rechnungsbeträge aus, verweigerte allerdings die Zahlung der Verzugszinsen und Rechtsanwaltsgebühren.

Der Bundesgerichtshof schloss sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, wonach im ambulanten Bereich ebenso wie im stationären Bereich das sog. sozialrechtliche Dreiecksverhältnis besteht. Danach bestehen jeweils eigenständige Rechtsbeziehungen zwischen dem ambulanten Dienst und der betreuungsbedürftigen Person aufgrund eines Betreuungsvertrags, zwischen dem ambulanten Dienst und dem Sozialhilfeträger aufgrund der Vergütungsvereinbarung und zwischen dem Sozialamt und der betreuungsbedürftigen Person als Anspruch auf Eingliederungshilfe. Das Sozialamt begleicht die Rechnungen des ambulanten Dienstes aufgrund eines sog. Schuldbeitritts zugunsten der betreuungsbedürftigen Person. Im stationären Bereich gilt dieselbe Systematik.

Das beklagte Sozialamt war der Auffassung, dass der zivilrechtliche Schuldbeitritt durch das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen dem ambulanten Pflegedienst und ihm überlagert würde, so dass Verzugszinsen und Schadensersatz aufgrund verspäteten Rechnungsausgleichs nicht anfallen könnten. Dieser Rechtsauffassung erteilte der BGH eine klare Absage. Aufgrund des Schuldbeitritts besteht nach Ansicht des Gerichts ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Sozialamt und dem ambulanten Dienst. Das Sozialamt komme wie jeder andere Schuldner in Verzug, wenn es keine Zahlungen leistet und gemahnt wird.

Hinweis:

Nur in seltenen Fällen ist in Vergütungsvereinbarungen oder Rahmenverträgen geregelt, dass der Kostenträger bei verspätetem Ausgleich der Rechnung in Verzug kommt. Die Rechnungen an den Kostenträger sollten daher ein konkretes Datum enthalten, bis zu dem die Einrichtung den Ausgleich der Rechnung erwartet. Sollte die Zahlung bis dahin nicht erfolgt sein, so ist der Kostenträger mit einer Mahnung in Verzug zu setzen, in der wiederum eine letztmalige Zahlungsfrist eingeräumt wird. Bleibt die Zahlung dann weiterhin aus, hat das Sozialamt Verzugszinsen und für die Beitreibung der Rechnungsbeträge ggf. anfallende Rechtsanwaltsgebühren der Einrichtung zu bezahlen.


Arbeitnehmer können bei dauerhafter Nachtarbeit einen Nachtarbeitszuschlag von 30% verlangen.

(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.2015, 10 AZR 423/14)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu entscheiden, welcher Nachtarbeitszuschlag nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern vom Arbeitgeber zu zahlen ist.

Der klagende Arbeitnehmer arbeitete bei der beklagten Arbeitgeberin regelmäßig in der Zeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr. Eine Tarifbindung bestand nicht. In der Zeit von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr zahlte die Arbeitgeberin zuletzt einen Nachtzuschlag von 20% auf den Stundenlohn. Der Kläger begehrte in der Zeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr einen Zuschlag von 30% auf seinen Stundenlohn.

Das BAG gab dem Kläger Recht. Nach Auffassung des Gerichtes steht Arbeitnehmern nach § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz ein Nachtzuschlag auf den Stundenlohn zu, der sich bei gelegentlicher Nachtarbeit auf 25% beläuft. Sei der Arbeitnehmer hingegen regelmäßig nachts tätig, so stehe ihm ein Vergütungszuschlag von 30% auf den Stundenlohn zu. Das Gericht sieht dies aufgrund der besonderen Belastung des regelmäßig nachts tätigen Arbeitnehmers als gerechtfertigt an.

Anmerkung:

In Tarifverträgen können die Tarifparteien abweichende Nachtarbeitszuschläge vereinbaren. Findet kein Tarifvertrag Anwendung, so ist bei gelegentlicher Nachtarbeit ein Vergütungsaufschlag von 25% und bei regelmäßiger Nachtarbeit ein Vergütungsaufschlag von 30% auf den Stundenlohn zu zahlen. Alternativ kann der Ausgleich in einer entsprechenden Anzahl vergüteter freier Tage erfolgen.


Zusatzvereinbarungen, die Vergütungsaufschläge aufgrund erheblichem Betreuungsaufwand regeln, sind unwirksam.

(Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.06.2015, L 7 SO 1447/11)

Das LSG Baden-Württemberg hatte darüber zu entscheiden, ob der Sozialhilfeträger einer stationären Behindertenhilfeeinrichtung gegenüber zum Ausgleich von Mehrkosten oberhalb der zwischen den Parteien in der Vergütungsvereinbarung geregelten Kostensätze verpflichtet war.

Die Bewohnerin leidet unter erheblichen Verhaltensauffälligkeiten, die im Vergleich zu den anderen Bewohnern einen deutlichen Betreuungsmehraufwand mit sich bringen. Die Einrichtung traf eine schriftliche Zusatzvereinbarung mit der gesetzlichen Betreuerin, in der eine zusätzliche Vergütung für den Betreuungsmehraufwand vereinbart wurde. Eine konkrete Abgrenzung der erbrachten Mehrleistungen gegenüber den mit den Kostensätzen des beklagten Landkreises vergüteten Leistungen erfolgte durch die Einrichtung nicht.

Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass der beklagte Landkreis nicht dazu verpflichtet war, die zwischen der Einrichtung und der Bewohnerin vereinbarten Mehrkosten zu übernehmen. Die entsprechende Zusatzvereinbarung zwischen den Vertragsparteien ist nach Auffassung des Gerichts unwirksam, da die Einrichtung nicht dazu berechtigt war, eine zusätzliche Vergütung zu fordern. Sie habe die Kostensätze bindend mit dem Sozialhilfeträger verhandelt. Wenn diese Kostensätze nicht ausreichend seien, so sei die Einrichtung dazu verpflichtet, neue Kostensätze mit dem Kostenträger zu verhandeln. Nach Ansicht des LSG überlagert das öffentliche-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Kostenträger und der Einrichtung das zivilrechtliche Rechtsverhältnis, das zwischen der Einrichtung und der Bewohnerin besteht und macht jede von der Vergütungsvereinbarung abweichende Zusatzvereinbarung unwirksam.

Anmerkung:

Das Bundessozialgericht hatte in einer ähnlichen Entscheidung am 25.09.2014 (vgl. Newsletter Juli 2015) noch offen gelassen, ob zivilrechtliche Zusatzvereinbarungen mit höheren Vergütungen bei erhöhtem Betreuungsaufwand wirksam sind. Nunmehr stellt das LSG Baden-Württemberg klar, dass Einrichtungen solche Vereinbarungen nicht wirksam schließen können. Sie sind dazu verpflichtet, auskömmliche Kostensätze zu verhandeln und ggf. im Rahmen der Vergütungsvereinbarung mit dem Kostenträger eine Refinanzierung von Betreuungsmehraufwand zu vereinbaren.


Wir wünschen Ihrer Familie und Ihnen ein geruhsames Weihnachtsfest und ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2016!

 

Fotos: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof); Bundesarbeitsgericht


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