Neues aus der Rechtsprechung
Fehlt zwischen der Einrichtung und dem Bewohner ein wirksamer
Heimvertrag, hat die Einrichtung einen Vergütungsanspruch nach den
Prinzipien der Geschäftsführung ohne Auftrag.
(Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.10.2015, L 20 SO 255/12)
Das LSG Nordrhein-Westfalen hatte u.a. darüber zu
entscheiden, ob das Sozialamt im Rahmen des zivilrechtlichen
Schuldbeitritts für den Bewohner an die Einrichtung
Eingliederungshilfeleistungen zu zahlen hatte, obwohl es an einem
wirksamen zivilrechtlichen Heimvertrag zwischen der Einrichtung und dem
Bewohner fehlte.
Eine Einrichtung für Wohnungslose hatte im Jahr 1992
den damals von Wohnungslosigkeit bedrohten, alkoholkranken Kläger
aufgenommen. Ein schriftlicher Heimvertrag wurde nicht geschlossen. Erst
nach Einführung des WBVG schlossen die Einrichtung und der Kläger einen
rückwirkenden Vertrag. Allerdings hielt das LSG den Kläger bereits seit
1992 für geschäftsunfähig, so dass ein wirksamer Heimvertrag zu keinem
Zeitpunkt zustande gekommen war.
Aus Sicht des Gerichts ist das Sozialamt trotzdem
zur Entrichtung der Vergütung für die erbrachten
Eingliederungshilfeleistungen verpflichtet, da die Einrichtung die
Leistungen im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; §§ 683, 677
BGB) erbracht hatte.
Eine GoA liegt vor, wenn jemand für einen anderen
ein Geschäft besorgt, ohne dass dieser ihn beauftragt hat oder er sonst
dazu berechtigt wäre. Aus Sicht des LSG hatte die Einrichtung als
"Geschäftsführer ohne Auftrag" die Eingliederungshilfeleistungen für den
Kläger erbracht. In einem solchen Fall dürfe die Einrichtung Ersatz
ihrer Aufwendungen vom Kläger verlangen, vorliegend also die eigentlich
im Heimvertrag zu vereinbarende Vergütung. Hinsichtlich dieses
Aufwendungsersatzanspruchs trete der Sozialhilfeträger im Wege des
Schuldbeitritts bei und habe damit die Vergütung der erbrachten
Leistungen an die Einrichtung zu entrichten.
Anmerkung:
Es kommt überraschend häufig vor, dass Wohn- und
Betreuungsverträge keine oder keine wirksamen Vergütungsvereinbarungen
enthalten. Dies führt bei einem Rechtsstreit zwischen dem Bewohner und
dem Sozialamt vor dem Sozialgericht oder zwischen der Einrichtung und
dem Sozialamt vor dem Zivilgericht wegen Begleichung offener Rechnungen
immer wieder zu der Situation, dass eine Klageabweisung droht, weil aus
Sicht des Gerichts kein Zahlungsanspruch mangels einer wirksamen
vertraglichen Vereinbarung besteht.
Das LSG Nordrhein-Westfalen hat hier für die
Einrichtungen, die es betrifft, einen Ausweg aufgezeigt. So können die
erbrachten Leistungen doch noch vergütet werden, auch wenn der eigene
Heimvertrag handwerklich mangelhaft ist.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob das Bundessozialgericht dieser Rechtsprechung folgt. Dort ist derzeit die Revision anhängig.
(Urteil des OLG Frankfurt vom 12.05.2015, 21 W 67/14, und Beschluss des BGH vom 26.10.2011, IV ZB 33/10)
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte darüber
zu entscheiden, ob ein Erbvertrag wirksam ist, den eine pflegebedürftige
Person mit der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes
geschlossen hatte.
Die Erblasserin war von dem ambulanten Pflegedienst
bis zu ihrem Tod betreut worden. Dabei hatten sich freundschaftliche
Beziehungen zwischen der Erblasserin und der Geschäftsführerin des
Pflegedienstes entwickelt. Mangels anderer Erben schlossen beide einen
Erbvertrag, in dem die Geschäftsführerin zur Alleinerbin eingesetzt
wurde.
Das OLG Frankfurt zog auf die Beschwerde des
Hessischen Regierungspräsidiums einen nach dem Tod der Erblasserin
bereits erteilten Erbschein wegen dessen Unrichtigkeit ein. Gemäß § 7
Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen
(HGBP) durfte sich die Geschäftsführerin nicht zur Alleinerbin einsetzen
lassen. Allein die Darlegung freundschaftlicher Beziehungen zwischen
ihr und der Erblasserin reichten für die Widerlegung der Vermutung nicht
aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Erbeinsetzung und den
vertraglichen Beziehungen aufgrund des Pflegevertrags bestanden hatte.
Bereits
im Jahr 2011 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) darüber zu entscheiden,
ob die Einsetzung einer stationären Behindertenhilfeeinrichtung zum
Nacherben zulässig war.
Die Eltern eines Bewohners hatten diesen zum
Vorerben eingesetzt und die Wohneinrichtung, in der er lebt, zum
Nacherben nach seinem Versterben. Die Behindertenhilfeeinrichtung hatte
zu Lebzeiten der Erblasser keine Kenntnis von ihrer Einsetzung als
Nacherbe. Erst nach Versterben der Eltern wurde ihr die Erbeinsetzung
bekannt.
Der BGH kam hier zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß
gegen § 14 Abs. 1 HeimG vorliegt. Ein solcher sei nur dann anzunehmen,
wenn sich der Heimträger oder dessen Mitarbeiter vom Erblasser etwas
"versprechen oder gewähren" lassen. Aufgrund der Unkenntnis der
stationären Einrichtung von der Einsetzung als Nacherbe liegt kein
Verstoß gegen § 14 Abs. 1 HeimG vor. Dies gelte sowohl für eine
stillschweigende Erbeinsetzung des Heimträgers durch den Bewohner selbst
als auch durch Dritte.
Hinweis:
Das im Heimgesetz geregelte Zuwendungsverbot ist
mittlerweile in alle Landesheimgesetze übernommen worden. Geklärt ist
nunmehr, dass die stationäre Einrichtung bzw. der ambulante Dienst keine
Kenntnis von der Einsetzung als Erbe haben darf, unabhängig davon ob
diese durch den Betroffenen oder seine Angehörigen erfolgte.
Informationspflichten
für stationäre Einrichtungen und ambulante Dienste ab 01.02.2017 durch
das Verbraucherstreitbeilegungs-Gesetz und das WBVG
Am 1. April 2016 ist das
Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft getreten. Das VSBG
regelt die Möglichkeiten der Verbraucher in Verbraucherstreitigkeiten
mit Unternehmern zukünftig eine außergerichtliche Schiedsstelle
anzurufen, anstelle die Streitigkeit vor Gericht auszutragen.
Das Verfahren vor den anerkannten
Schlichtungsstellen soll grundsätzlich kostenfrei sein. Das Verfahren
ist für alle Beteiligten freiwillig. Am 1. April 2016 hat zeitgleich mit
Inkrafttreten des Gesetzes die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle
mit Sitz in Kehl am Rhein ihre Tätigkeit aufgenommen (www.verbraucher-schlichter.de). Es ist sehr wahrscheinlich, dass diverse weitere Schlichtungsstellen in naher Zukunft deutschlandweit eingerichtet werden.
Das Bundesamt für Justiz hat am 6. April 2016 eine
Liste der Zuständigkeiten der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle
veröffentlicht. Danach soll eine außergerichtliche Schlichtung u.a. in
der Rubrik "Gesundheit" für "Altenheime und häusliche Pflege" sowie für
"Andere" durchgeführt werden. Unter "Andere" dürften stationäre und
ambulante Behindertenhilfeeinrichtungen fallen, auf die das VSBG
ebenfalls Anwendung findet.
Zum 1. Februar 2017 treffen die betroffenen
Unternehmer gemäß §§ 36, 37 VSBG umfangreiche Informationspflichten
gegenüber den Verbrauchern als Vertragspartner:
- Unternehmer
haben auf ihrer Webseite und in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen
die Verbraucher darüber zu informieren, ob sie bereit und verpflichtet
sind, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer
Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
- Diese Informationen müssen leicht auffindbar sein.
- Ein
Unternehmer, der sich dazu verpflichtet, an einer solchen
Streitbeilegung teilzunehmen, muss deutlich darauf hinweisen bzw. eine
entsprechende Verpflichtungserklärung abgeben und die
Verbraucherschlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite angeben.
- Nur Unternehmer, die höchstens 10 Personen beschäftigen, sind von den dargestellten Verpflichtungen befreit.
- Ist
eine (Rechts-)Streitigkeit bereits entstanden, so hat der Unternehmer
den Verbraucher auf das mögliche Schlichtungsverfahren hinzuweisen, wenn
die Streitigkeit nicht anderweitig beigelegt werden konnte.
- Unternehmer,
die unter den Anwendungsbereich des Wohn- und
Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) fallen, müssen zum 1. Februar 2017
ihre Wohn- und Betreuungsverträge ergänzen um die unter 1. und 3.
dargestellten Informationen (§ 6 Absatz 3 Nr. 4 WBVG).