Juni 2016

Neues aus der Rechtsprechung

Die Ausübung des Hausrechts steht jedem einzelnen Bewohner zu.

(Beschluss des KG Berlin vom 01.02.2016, 3 Ws [B] 29/16)

Das Kammergericht (KG) Berlin hatte über die Beschwerde eines Pflegedienstes in einer Ordnungswidrigkeitensache nach dem Wohnteilhabegesetz (WTG) Berlin zu entscheiden.

Der Pflegedienst betreibt eine ambulante Pflege-WG mit 11 Bewohnerinnen und Bewohnern. Die Heimaufsicht hatte sich zu einer Begehung u.a. der Gemeinschaftsräume der WG angekündigt. Hierauf stimmten acht Bewohner teilweise durch ihre gesetzlichen Betreuer der Begehung zu, zwei äußerten sich nicht und eine Bewohnerin lehnte die Begehung durch die Heimaufsicht ab. Der Pflegedienst verweigerte daraufhin der Mitarbeiterin der Heimaufsicht den Zugang zu den Räumlichkeiten der Pflege-WG. Die Heimaufsicht erlies gemäß § 31 Absatz 2 Nr. 2 WTG Berlin einen Bußgeldbescheid gegen den Pflegedienst.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Pflegedienst wegen einer Ordnungswidrigkeit wegen Vereitelung der anlassbezogenen Prüfung der WG durch die Heimaufsicht. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde durch das Kammergericht Berlin zurückgewiesen.

Das Kammergericht stellte klar, dass alle Mitbewohnerinnen und Mitbewohner einer Einrichtung das Hausrecht gleichrangig ausüben dürfen. Eine Zustimmung aller zum Betreten der Gemeinschaftsräume sei nicht erforderlich, vielmehr könne ein Mitbewohner allein entscheiden, wem er den Zutritt zu den Gemeinschaftsräumen ermöglicht. Die anderen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner haben dagegen grundsätzlich kein Widerspruchsrecht. Als Grenze sei aber zu beachten, ob der Aufenthalt der dritten Person den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern unzumutbar ist.

Aus Sicht des Gerichtes war der Einlass der Heimaufsicht auch der Bewohnerin zumutbar, die den Zugang verweitert hatte. Die Heimaufsichtsbegehung diene dem Schutz aller Bewohner und sei daher allen zumutbar gewesen. Die Verweigerung der Zustimmung wertete das Gericht als willkürliche Beschränkung der Freiheitsrechte der anderen Bewohner der WG und damit als offensichtlich treu- und rechtswidrig.

Anmerkung:

Jede Bewohnerin und jeder Bewohner kann das Betreten des eigenen Zimmers auch durch die Heimaufsicht verweigern (Ausnahme: Gefahr im Verzug). Allerdings ist die Verweigerung des Zugangs Dritter zu den Gemeinschaftsräumen nur dann möglich, wenn dies einzelnen oder allen Mitbewohnern unzumutbar ist. Die Grenze der Unzumutbarkeit ist überschritten, wenn der Schutz der Privatspäre der Mitbewohner vor störenden Dritten im Rahmen einer Interessenabwägung höher wiegt, als der Wunsch eines Einzelnen, privaten Besuch zu empfangen.


Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet nicht automatisch für Rechtsverletzungen Dritter.

(BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 86/15)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich in mehreren Verfahren mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines Internetanschlusses dafür haftet, dass von dem Anschluss Dateien in Internet-Tauschbörsen hochgeladen wurden (Filesharing).

In einem Fall hatte die Beklagte ihrer in Australien lebenden Nichte und deren Lebensgefährten anlässlich eines Besuches ihr Passwort für die Nutzung des WLAN-Routers zur Verfügung gestellt. Die Nichte hatte dann einen Film unerlaubt auf einer Tauschbörse zugänglich gemacht, was der Beklagten nicht bekannt war.

Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte nicht als Störerin für die Urheberrechtsverletzung ihrer Nichte haftet. Nach Auffassung des Gerichts kann sich im vorliegenden Fall eine Haftung nur daraus ergeben, dass die Beklagte ihre Nichte und deren Lebensgefährten nicht über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen belehrt hatte. Allerdings sei ihr eine entsprechende Belehrung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses nicht zumutbar gewesen.

Hinweis:

Haben Bewohnerinnen und Bewohner über den Internetanschluss der Einrichtung Zugang zum Internet, so müssen sie über die möglichen rechtswidrigen Handlungen, die sie im Internet begehen können, und deren Folgen belehrt werden. Aus Nachweisgründen sollte diese Belehrung schriftlich erfolgen. Sollten trotz Belehrung Rechtsverletzungen begangen werden, scheidet eine Störerhaftung der Einrichtung aus.

Der Zugang zum Internet muss erst dann überwacht, eingeschränkt oder gar unterbunden werden, wenn nachweisbar rechtsverletzende Handlungen durch eine Bewohnerin oder einen Bewohner begangen worden sind.


Neues aus der Gesetzgebung

Veröffentlichung des Regierungsentwurfs des Bundesteilhabegesetzes

 

Gestern wurde der Regierungsentwurf des Bundesteilhabegesetzes vom Bundeskabinett verabschiedet. Die 1. Lesung im Bundestag soll Ende September 2016 erfolgen, die 2. und 3. Lesung im Dezember 2016. Nach Vorstellungen des Bundesregierung soll das Gesetz zum 01.01.2017 in Kraft treten.

Es wurden diverse Änderungen im Verhältnis zum Referentenentwurf vorgenommen. Problematisch bleibt aber eine nach wie vor drohende Schlechterstellung der Menschen mit besonders hohem Hilfebedarf im Verhältnis zu den bisherigen Regelungen der Eingliederungshilfe im SGB XII.

Bedauerlich ist ferner, dass die seit Jahren mangelhaft geregelte Schnittstelle zur Pflegeversicherung (§ 43a SGB XI) für Menschen, die in stationären Einrichtungen wohnen, bisher unverändert erhalten bleiben soll. Der neue § 103 Absatz 1 BTHG (Reg-E) übernimmt inhaltsgleich die bisherige Regelung des § 55 SGB XII. Auch das Pflegestärkungsgesetz III, das aktuell im Referentenentwurf vorliegt und ebenfalls zum Januar 2017 in Kraft treten soll, belässt § 43a SGB XI bisher in unveränderter Fassung.


Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 01.01.2017

 

Die Mindestlohn-Kommission der Bundesregierung hat vorgeschlagen, dass der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 8,50 € pro Stunde auf 8,84 € pro Stunde angehoben werden soll. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat angekündigt, die zur Umsetzung dieses Beschlusses erforderliche Rechtsverordnung auf den Weg zu bringen.

Alle zwei Jahre überprüft die Mindestlohn-Kommission, ob der aktuelle Mindestlohn zu erhöhen ist. Diese Überprüfung ist seit Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.2015 nun das erste Mal durchgeführt worden. Die Mindestlohn-Kommission hat sich bei ihrer aktuellen Entscheidung am Tarifindex des statistischen Bundesamtes orientiert. Berücksichtigt wurden hierbei die Tariferhöhungen von Januar 2015 bis Juni 2016, die 4% ausgemacht haben. Der Mindestlohn wird daher ebenfalls um 4% steigen.


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Fotos: © Joe Miletzki (Bundesgerichtshof)


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