Neues aus der Rechtsprechung
Jeder Bewohner muss einer Entgelterhöhung individuell zustimmen.
(Urteil des BGH vom 12.05.2016, III ZR 279/15)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über die Wirksamkeit einzelner heimvertraglicher Klauseln zur Entgelterhöhung zu entscheiden.
Ein Verbraucherschutzverein klagte gegen eine
stationäre Altenpflegeeinrichtung darauf, dass diese die Klausel aus
ihren Heimverträgen zu entfernen habe, wonach bei Anpassung der
Vergütungsvereinbarungen nach §§ 85 bis 87 SGB XI mit den Pflegekassen
und Sozialhilfeträgern die Einrichtung den Heimvertrag hinsichtlich der
Entgelterhöhung durch einseitige Erklärung anpassen dürfe.
Der BGH gab dem Verbraucherschutzverein Recht. Aus
Sicht des Gerichtes kann die Einrichtung gemäß § 9 WBVG "die Erhöhung
des Entgelts" verlangen, nicht aber automatisch durch eine einseitige
Erklärung das erhöhte Entgelt. Auch bei einem Heimvertrag handele es
sich um einen zivilrechtlichen Vertrag, auf den die Regelungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anwendung finden. Gemäß § 311 Abs. 1 BGB
stelle sowohl die Begründung eines Schuldverhältnisses als auch dessen
Änderung einen Vertrag von mindestens zwei Vertragsparteien dar. Die
Erhöhung des Heimentgelts ist somit eine Vertragsänderung, die der
Zustimmung des Bewohners bedarf. Auch Praktikabilitätserwägungen
insbesondere bei Beziehern von Leistungen nach dem SGB XI und SGB XII
lässt das Gericht nicht gelten.
Anmerkung:
Sollten Wohn- und Betreuungsverträge eine Klausel
enthalten, wonach die Einrichtung das Recht hat, bei Vorliegen einer
neuen Vergütungsvereinbarung mit dem Kostenträger den Heimvertrag mit
dem Bewohner einseitig anzupassen, so ist diese Klausel aus dem Vertrag
zu entfernen, da anderenfalls eine Abmahnung durch einen
Verbraucherschutzverein drohen könnte.
Es ist in Zukunft darauf zu achten, dass jede
Entgelterhöhung als Nachtrag zum Wohn- und Betreuungsvertrag individuell
mit den einzelnen Bewohnern vereinbart wird.
(Beschluss des LG Fulda vom 31.05.2016, 5 T 83/16)
Das Landgericht Fulda hatte darüber zu entscheiden,
ob bei einem dementen, sehr umtriebigen Bewohner in einem Pflegeheim
eine "sensorgesteuerte Weglaufsperre" als freiheitsentziehende
unterbringungsähnliche Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB zu genehmigen
war. Der Betroffene, der aufgrund starken Bewegungsdrangs häufig die
Einrichtung verlässt, sollte die sensorgesteuerte Weglaufsperre 24
Stunden am Tag an sieben Tagen pro Woche tragen. Wenn er sich der
Eingangstür der Einrichtung näherte, verschloss sich diese, so dass er
das Heim nicht selbständig verlassen konnte.
Eine freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1906
Abs. 1 BGB setzt ebenso wie eine freiheitsentziehende
unterbringungsähnliche Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB voraus, dass sie
zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil bei ihm aufgrund einer
psychischen Erkrankung oder einer geistigen oder seelischen Behinderung
die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen
gesundheitlichen Schaden zufügt.
Das LG Fulda ging davon aus, dass es sich bei der
"sensorgesteuerten Weglaufsperre", die der Betroffene rund um die Uhr
tragen sollte, nicht um eine unterbringungsähnliche Maßnahme i.S.d. §
1906 Abs. 4 BGB handelt. Der Betroffene konnte zu keinem Zeitpunkt
selbständig die Pflegeeinrichtung verlassen, da sich die Türen bei
seinem Näherkommen immer automatisch verschlossen. Er konnte nur nach
draußen treten, wenn ihm ein Mitarbeiter des Pflegepersonals die Tür
entriegelte. Aus Sicht des Gerichts handelte es sich somit um eine
freiheitsentziehende Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 BGB). Diese war nach
Auffassung des LG Fulda aber nicht geboten. Der Betreute war noch in
keinerlei konkret gefährdende Situationen geraten, wenn er das Heim
verließ. Lediglich die abstrakte Gefahr einer Schädigung hielt das
Gericht aber nicht für ausreichend, um dieser mit einem dauerhaften
Freiheitsentzug entgegen zu wirken.
Geplante Änderungen durch das Pflegestärkungsgesetz III
Das Pflegestärkungsgesetz III (PSG III) bringt
wieder ein Sammelsurium an Änderungen diverser Gesetze mit sich. Einige
wesentliche Änderungen betreffen auch Menschen mit Behinderungen.
Das PSG III ist am 23.09.2016 in den Bundestag und
Bundesrat eingebracht worden. Aktuell liegt es dem Fachausschuss für
Gesundheit vor. Die Sachverständigenanhörung erfolgte am 17.10.2016.
Ende November 2016 soll das Gesetz vom Bundestag verabschiedet werden.
Am 16.12.2016 soll es dann den Bundesrat passieren und zum 01.01.2017 in
Kraft treten.
Einige der geplanten Änderungen werden im Folgenden dargestellt:
- §
13 SGB XI regelt das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung
zu anderen Sozialleistungen. Bisher regelt § 13 Absatz 3 SGB XI, dass
die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII nicht nachrangig
gegenüber Pflegeleistungen nach dem SGB XI sind. Dieser Grundsatz der
Gleichrangigkeit von Leistungen wird durch das PSG III aufgegeben. Der
Gesetzentwurf sieht vor, dass jedenfalls in der Häuslichkeit die
Leistungen der Pflegeversicherung denen der Eingliederungshilfe
grundsätzlich vorgehen sollen. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn
bei der Leistungserbringung die Erfüllung der Aufgaben der
Eingliederungshilfe im Vordergrund steht.
- Eine entsprechende
Regelung wird durch das PSG III auch in die Hilfe zur Pflege nach dem
SGB XII aufgenommen (§ 63b SGB XII-Regierungsentwurf). Hier wird noch
zusätzlich geregelt, dass außerhalb der Häuslichkeit die
Eingliederungshilfe der Hilfe zur Pflege vorgehen soll.
- § 43a
SGB XI regelt, dass für pflegebedürftige Menschen in stationären
Einrichtungen der Behindertenhilfe die Pflegekassen zur pauschalen
Abgeltung der zu erbringenden Pflegeleistungen max. 266,- € je
Pflegebedürftigen pro Monat an das Sozialamt zahlen. Ab 01.01.2017
betrifft diese Regelung aufgrund der bereits beschlossenen Änderungen
durch das Pflegestärkungsgesetz II Pflegebedürftige der Pflegegrade 2
bis 5. Durch das PSG III soll § 43a SGB XI dahingehend erweitert werden,
dass diese pauschale Abgeltung von Pflegeleistungen für alle
"Räumlichkeiten" gelten soll, die Leistungen der Eingliederungshilfe für
Menschen mit Behinderungen erbringen und unter das Wohn- und
Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) fallen. Dies wird also auch WGs und das
BEW betreffen, soweit die Angebote in den Anwendungsbereich des WBVG
fallen.
Es bleibt abzuwarten, ob sämtliche der dargestellten Regelungen so auch Eingang in die Endfassung des Gesetzes finden werden.