02/2017

Neues aus der Rechtsprechung

Bewohner im betreuten Einzelwohnen haben jedenfalls dann Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch die Krankenkasse, wenn der zeitliche Umfang der Eingliederungshilfeleistungen nur gering ist.

(Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.06.2017, L 1 KR 229/17 B ER und vom 27.06.2017, L 1 KR 228/17 B ER)

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hatte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes darüber zu entscheiden, ob die Krankenkasse für einen Bewohner im betreuten Einzelwohnen (BEW) die Kosten der häuslichen Krankenpflege vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen hat.

Der Antragsteller lebt in einer Wohnung, die ihm durch einen sozialen Träger vermietet wird. Eine Tochtergesellschaft des Trägers erbringt Eingliederungshilfeleistungen im BEW für den Antragsteller im Umfang von sechs Stunden pro Woche. Ein ebenfalls von dem Träger betriebener Pflegedienst kommt viermal täglich, um Medikamentengabe, Blutzuckermessungen und Insulininjektionen beim Antragsteller durchzuführen.

Die Antragsgegnerin verweigerte seit Mitte 2016 die Kostenübernahme für sämtliche Behandlungspflegeleistungen mit Ausnahme der Insulininjektionen. Sie begründete dies damit, dass einfachste Leistungen der Behandlungspflege auch im ambulanten Bereich durch den Träger der Eingliederungshilfe durchzuführen seien, was sich bereits aus den Urteilen des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2015 ergebe (näheres hierzu siehe Newsletter Behindertenhilfe März 2015 und Juli 2015).

Das zuständige Sozialgericht lehnte die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab und schloss sich im Wesentlichen der Begründung der Krankenkasse an. Das LSG gab den hiergegen erhobenen Beschwerden statt.

Auch das LSG geht davon aus, dass im ambulanten Bereich dann kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht, wenn die Leistungen vorrangig durch die Eingliederungshilfe zu erbringen sind. Das BSG habe in seinen Urteilen aber klargestellt, dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe nur insoweit zur Erbringung von Behandlungspflegeleistungen verpflichtet seien, als sie dazu aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung auch in der Lage seien (BSG, Urteil vom 25.02.2015, B 3 KR 11/14 R). Zwar gehöre das Stellen und die Vergabe von Medikamenten sowie die Blutzuckermessung zu den Leistungen der Behandlungspflege, die durch die Eingliederungshilfe zu erbringen seien. Im konkreten Fall reicht aber aus Sicht des Gerichts der geringe Umfang an Fachleistungsstunden wöchentlich nicht aus, um die erforderlichen Behandlungspflegeleistungen viermal täglich davon abzudecken, da dann die weiteren Leistungen der Eingliederungshilfe nicht mehr erbracht werden könnten.

Anmerkung:

Das LSG stellt in seinen Beschlüssen klar, dass die Medikamentengabe nur am Rande zur Eingliederungshilfe gehört. Die Krankenkassen können somit die Kostenübernahme für  Leistungen der häuslichen Krankenpflege im ambulanten Bereich nicht pauschal mit der Begründung ablehnen, dass diese Leistungen vorrangig durch die Eingliederungshilfe zu erbringen sind. Ist Eingliederungshilfe nur in geringem Umfang bewilligt, so sind hiervon vorrangig Leistungen der Teilhabe gemäß §§ 53, 54 SGB XII für die Betroffenen zu erbringen.

Die Verfahren wurden durch Kanzlei Vandrey & Hoofe geführt.


Will der Arbeitgeber mit verkürzter Frist in der Probezeit kündigen, muss dies klar erkennbar aus dem Arbeitsvertrag hervorgehen.

(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2017, 6 AZR 705/15)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu entscheiden, welche Kündigungsfrist in der Probezeit gilt, wenn die Formulierungen im Arbeitsvertrag hierzu nicht eindeutig sind.

Der Arbeitsvertragsparteien hatten einen Arbeitsvertrag geschlossen, in dem eine sechsmonatige Probezeit vereinbart war. An keiner Stelle des Vertrags wurde auf die verkürzte gesetzliche Kündigungsfrist von 14 Tagen Bezug genommen, die gemäß § 622 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in dieser Probezeit längstens für sechs Monate vereinbart werden kann. Im Arbeitsvertrag war lediglich eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende geregelt. Es war hier auch kein Zusatz in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden, wonach diese Kündigungsfrist erst nach Ablauf der Probezeit gelten sollte.

Der Arbeitgeber kündigte den Arbeitnehmer in der Probezeit mit der verkürzten Frist von 14 Tagen. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht und machte geltend, dass der Arbeitgeber ihn nur mit der im Arbeitsvertrag geregelten Frist von sechs Wochen zum Monatsende kündigen durfte.

Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Es folgte nicht der Auffassung des Arbeitgebers, der behauptete, die Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit im Arbeitsvertrag mache zugleich deutlich, dass hierbei auch die verkürzte 14tägige Kündigungsfrist Anwendung finden solle. Das Gericht befand die Regelungen im Arbeitsvertrag hinsichtlich der Kündigung in der Probezeit für unklar. Der Arbeitnehmer konnte nicht zweifelsfrei erkennen, welche Kündigungsfrist auf ihn Anwendung fand. Diese Unklarheit geht zu Lasten des Arbeitgebers, so dass die längere Kündigungsfrist mit entsprechender Lohnzahlung zur Anwendung kommt.

Hinweis:

Vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge, die er mit seinen Arbeitnehmern abschließt, sind sog. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Hierauf findet bei der Prüfung der einzelnen Vertragsklauseln das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 bis 310 BGB) Anwendung. Die Verwendung unklarer, widersprüchlicher oder anderweitig unzulässiger Klauseln in solchen vorformulierten Arbeitsverträgen geht immer zu Lasten des Arbeitgebers. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu in den letzten Jahren eine vielfältige Rechtsprechung entwickelt.


Neues aus der Gesetzgebung

Neue Schonvermögensgrenzen für alle Sozialhilfeempfänger

 

Seit April 2017 wird allen Sozialhilfeempfängern ein einheitlicher Schonvermögensbetrag i.H.v. 5.000,- € pro Person gewährt (bisher 1.600,- € bzw. 2.600,- € allein und 3.214,- € zu zweit).

Bereits seit Januar 2017 steht Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII beziehen, durch die Änderungen des Bundesteilhabegesetzes ein erhöhter Schonvermögensbetrag i.H.v. 25.000,- € zu.

Somit haben Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe und weitere Sozialhilfe (bspw. Grundsicherung) beziehen, seit 01.04.2017 einen Schonvermögensbetrag von insgesamt 30.000,- €. Zu beachten ist aber, dass Geld, das dem Betroffenen zufließt, während er schon im laufenden Sozialhilfebezug ist, nicht sofort Schonvermögen ist. Erhält der Betroffene einen größeren Einmalbetrag auf sein Konto, weil er zum Beispiel eine Erbschaft gemacht hat, so ist diese Einnahme zunächst Einkommen im sozialhilferechtlichen Sinn. Der Betrag wird auf einen Verteilzeitraum von mindestens sechs Monaten verteilt. In dieser Zeit wird das Geld auf die Sozialhilfeleistungen angerechnet, was zu deren Kürzung oder Wegfall führen kann. Ist nach Ablauf des Verteilzeitraums noch Geld übrig, so wird es frühestens zu diesem Zeitpunkt Schonvermögen.


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Fotos: © Bundesarbeitsgericht / Deutscher Bundestag


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Christine Vandrey & Barbara Hoofe
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