Neues aus der Rechtsprechung
Bewohner im betreuten Einzelwohnen haben jedenfalls dann Anspruch
auf häusliche Krankenpflege durch die Krankenkasse, wenn der zeitliche
Umfang der Eingliederungshilfeleistungen nur gering ist.
(Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.06.2017, L 1 KR 229/17 B ER und vom 27.06.2017, L 1 KR 228/17 B ER)
Das
Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hatte im Rahmen des
einstweiligen Rechtsschutzes darüber zu entscheiden, ob die Krankenkasse
für einen Bewohner im betreuten Einzelwohnen (BEW) die Kosten der
häuslichen Krankenpflege vorläufig bis zur Entscheidung in der
Hauptsache zu übernehmen hat.
Der Antragsteller lebt in einer Wohnung, die ihm
durch einen sozialen Träger vermietet wird. Eine Tochtergesellschaft des
Trägers erbringt Eingliederungshilfeleistungen im BEW für den
Antragsteller im Umfang von sechs Stunden pro Woche. Ein ebenfalls von
dem Träger betriebener Pflegedienst kommt viermal täglich, um
Medikamentengabe, Blutzuckermessungen und Insulininjektionen beim
Antragsteller durchzuführen.
Die Antragsgegnerin verweigerte seit Mitte 2016 die
Kostenübernahme für sämtliche Behandlungspflegeleistungen mit Ausnahme
der Insulininjektionen. Sie begründete dies damit, dass einfachste
Leistungen der Behandlungspflege auch im ambulanten Bereich durch den
Träger der Eingliederungshilfe durchzuführen seien, was sich bereits aus
den Urteilen des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2015 ergebe (näheres
hierzu siehe Newsletter Behindertenhilfe März 2015 und Juli 2015).
Das zuständige Sozialgericht lehnte die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes ab und schloss sich im Wesentlichen der
Begründung der Krankenkasse an. Das LSG gab den hiergegen erhobenen
Beschwerden statt.
Auch das LSG geht davon aus, dass im ambulanten
Bereich dann kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht, wenn die
Leistungen vorrangig durch die Eingliederungshilfe zu erbringen sind.
Das BSG habe in seinen Urteilen aber klargestellt, dass Einrichtungen
der Eingliederungshilfe nur insoweit zur Erbringung von
Behandlungspflegeleistungen verpflichtet seien, als sie dazu aufgrund
ihrer sächlichen und personellen Ausstattung auch in der Lage seien
(BSG, Urteil vom 25.02.2015, B 3 KR 11/14 R). Zwar gehöre das Stellen
und die Vergabe von Medikamenten sowie die Blutzuckermessung zu den
Leistungen der Behandlungspflege, die durch die Eingliederungshilfe zu
erbringen seien. Im konkreten Fall reicht aber aus Sicht des Gerichts
der geringe Umfang an Fachleistungsstunden wöchentlich nicht aus, um die
erforderlichen Behandlungspflegeleistungen viermal täglich davon
abzudecken, da dann die weiteren Leistungen der Eingliederungshilfe
nicht mehr erbracht werden könnten.
Anmerkung:
Das LSG stellt in seinen Beschlüssen klar, dass die
Medikamentengabe nur am Rande zur Eingliederungshilfe gehört. Die
Krankenkassen können somit die Kostenübernahme für Leistungen der
häuslichen Krankenpflege im ambulanten Bereich nicht pauschal mit der
Begründung ablehnen, dass diese Leistungen vorrangig durch die
Eingliederungshilfe zu erbringen sind. Ist Eingliederungshilfe nur in
geringem Umfang bewilligt, so sind hiervon vorrangig Leistungen der
Teilhabe gemäß §§ 53, 54 SGB XII für die Betroffenen zu erbringen.
Die Verfahren wurden durch Kanzlei Vandrey & Hoofe geführt.
(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2017, 6 AZR 705/15)
Das
Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu entscheiden, welche
Kündigungsfrist in der Probezeit gilt, wenn die Formulierungen im
Arbeitsvertrag hierzu nicht eindeutig sind.
Der Arbeitsvertragsparteien hatten einen
Arbeitsvertrag geschlossen, in dem eine sechsmonatige Probezeit
vereinbart war. An keiner Stelle des Vertrags wurde auf die verkürzte
gesetzliche Kündigungsfrist von 14 Tagen Bezug genommen, die gemäß § 622
Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in dieser Probezeit längstens
für sechs Monate vereinbart werden kann. Im Arbeitsvertrag war lediglich
eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende geregelt. Es war
hier auch kein Zusatz in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden, wonach
diese Kündigungsfrist erst nach Ablauf der Probezeit gelten sollte.
Der Arbeitgeber kündigte den Arbeitnehmer in der
Probezeit mit der verkürzten Frist von 14 Tagen. Hiergegen erhob der
Arbeitnehmer Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht und machte
geltend, dass der Arbeitgeber ihn nur mit der im Arbeitsvertrag
geregelten Frist von sechs Wochen zum Monatsende kündigen durfte.
Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Es folgte nicht
der Auffassung des Arbeitgebers, der behauptete, die Vereinbarung einer
sechsmonatigen Probezeit im Arbeitsvertrag mache zugleich deutlich, dass
hierbei auch die verkürzte 14tägige Kündigungsfrist Anwendung finden
solle. Das Gericht befand die Regelungen im Arbeitsvertrag hinsichtlich
der Kündigung in der Probezeit für unklar. Der Arbeitnehmer konnte nicht
zweifelsfrei erkennen, welche Kündigungsfrist auf ihn Anwendung fand.
Diese Unklarheit geht zu Lasten des Arbeitgebers, so dass die längere
Kündigungsfrist mit entsprechender Lohnzahlung zur Anwendung kommt.
Hinweis:
Vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge, die
er mit seinen Arbeitnehmern abschließt, sind sog. Allgemeine
Geschäftsbedingungen (AGB). Hierauf findet bei der Prüfung der einzelnen
Vertragsklauseln das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305
bis 310 BGB) Anwendung. Die Verwendung unklarer, widersprüchlicher oder
anderweitig unzulässiger Klauseln in solchen vorformulierten
Arbeitsverträgen geht immer zu Lasten des Arbeitgebers. Das
Bundesarbeitsgericht hat hierzu in den letzten Jahren eine vielfältige
Rechtsprechung entwickelt.
Neue Schonvermögensgrenzen für alle Sozialhilfeempfänger
Seit
April 2017 wird allen Sozialhilfeempfängern ein einheitlicher
Schonvermögensbetrag i.H.v. 5.000,- € pro Person gewährt (bisher 1.600,-
€ bzw. 2.600,- € allein und 3.214,- € zu zweit).
Bereits seit Januar 2017 steht Menschen mit
Behinderung, die Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII
beziehen, durch die Änderungen des Bundesteilhabegesetzes ein erhöhter Schonvermögensbetrag i.H.v. 25.000,- € zu.
Somit haben Menschen mit Behinderung, die
Eingliederungshilfe und weitere Sozialhilfe (bspw. Grundsicherung)
beziehen, seit 01.04.2017 einen Schonvermögensbetrag von insgesamt
30.000,- €. Zu beachten ist aber, dass Geld, das dem Betroffenen
zufließt, während er schon im laufenden Sozialhilfebezug ist, nicht
sofort Schonvermögen ist. Erhält der Betroffene einen größeren
Einmalbetrag auf sein Konto, weil er zum Beispiel eine Erbschaft gemacht
hat, so ist diese Einnahme zunächst Einkommen im sozialhilferechtlichen
Sinn. Der Betrag wird auf einen Verteilzeitraum von mindestens sechs
Monaten verteilt. In dieser Zeit wird das Geld auf die
Sozialhilfeleistungen angerechnet, was zu deren Kürzung oder Wegfall
führen kann. Ist nach Ablauf des Verteilzeitraums noch Geld übrig, so
wird es frühestens zu diesem Zeitpunkt Schonvermögen.