04/2017

Neues aus der Rechtsprechung

Im Rahmen der Kostensatzverhandlungen müssen die konkreten Personalkosten nachgewiesen werden.

(Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 08.06.2017, L 30 P 22/12 KL)

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches im Rahmen von Kostensatzverhandlungen zu entscheiden. Hier war u.a. streitig, ob die aktuellen Personalkosten von einer Pflegeeinrichtung anhand von Belegen nachgewiesen werden mussten.

Die sächsische Einrichtung, deren Träger in Berlin sitzt, forderte die zuständigen Kostenträger im Januar 2010 zu Kostensatzverhandlungen auf. Für die Beschäftigten der Einrichtung besteht keine Tarifbindung. Die Arbeitsentgelte werden individuell vereinbart. Aus den eingereichten Unterlagen ergaben sich u.a. die Anzahl der durchschnittlich vorhandenen Fach- und Hilfskräfte, die durchschnittliche Belegungszahl des Vorjahres und der prognostizierte Personalbedarf. Der Einrichtungsträger teilte ferner mit, dass seit 2008 die Personalkosten um 2,5% und die Kosten der Fremddienstleistungen um 3,5% gestiegen seien.

Die Kostenträger forderten die Einrichtung daraufhin auf, u.a. weitere Angaben zum Stellenumfang, zur Eingruppierung und Alterstruktur, zur Tarifbindung und den Bruttopersonalkosten zu machen. Die Einrichtung reichte eine Tabelle ein, die keine Angaben zu den bisherigen Personalkosten enthielt. Auf nochmalige Nachfrage teilte sie mit, zur Herausgabe weiterer Unterlagen, die einen tiefergehenden Einblick in Betriebsinterna ermöglichten, sei sie nicht verpflichtet.

Die Einrichtung leitete im März 2010 ein Schiedsstellenverfahren ein. Auch auf die Aufforderung des Schiedsstellenvorsitzenden, die prospektiven Kostenansätze konkret darzulegen, teilte die Einrichtung lediglich mit, dass die geforderte Erhöhung um 3,29% sich im Rahmen normaler Preiserhöhungen bewege und weitere Nachweise nicht gefordert werden könnten. Auch im weiteren Verfahren machte die Einrichtung trotz wiederholter Aufforderung keine weiteren Angaben. Daraufhin wurde nach mündlicher Verhandlung im November 2010 der Antrag auf Erhöhung der Kostensätze durch die Schiedsstelle abgewiesen.

Hiergegen erhob der Einrichtungsträger Klage vor dem Landessozialgericht. Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stellte das LSG klar, dass ein Heimträger jedenfalls dann die konkreten Personalkosten nachweisen muss, wenn diese Ausgaben von den Kostenträgern bestritten werden, was vorliegend der Fall gewesen war. Eine pauschale Kalkulation reiche regelmäßig nicht aus. Es müssen vielmehr konkrete Belege für die Kalkulation vorgelegt werden, um deren Plausibilität zu prüfen. Es handele sich auch entgegen der Rechtsauffassung des Heimträgers nicht um einen wettbewerbswidrigen Eingriff in die Rechtssphäre einer Pflegeeinrichtung, diese zur Vorlage konkreter Nachweise zu verpflichten.

Aus Sicht des Gerichts war der Träger auch deshalb zur Vorlage weiterer Nachweise verpflichtet, weil die geforderten Vergütungen oberhalb des unteren Drittels vergleichbarer Vergütungen in der Region lagen. Um in einem solchen Fall eine Entgelterhöhung durchsetzen zu können, müsse der Heimträger nachweisen, dass eine besondere Situation vorliegt, die die höheren Kostensätze rechtfertigt.

Anmerkung:

Die Entscheidung des LSG verdeutlicht noch einmal, dass das durchaus berechtigte wirtschaftliche Interesse von Einrichtungsträgern auf Wahrung ihrer Betriebsgeheimnisse jedenfalls in den Kostensatzverhandlungen zurückstehen muss. Die Verhandlungspartner verhandeln die Vergütungen nicht nur im Verhältnis zueinander, sondern auch für betroffene Dritte, da die Bewohner der Einrichtungen bzw. die zuständigen Sozialhilfeträger zur Entrichtung der Vergütungen verpflichtet sind. Hierdurch erwächst den Einrichtungen eine erhöhte Pflicht zum Nachweis ihrer Kosten.


Das Bundesteilhabegesetz

Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes zum 01.01.2018

 

Am 01.01.2018 tritt das Bundesteilhabegesetz in Kraft. Es wird überführt in das 9. Sozialgesetzbuch (SGB IX). Ausgenommen sind nur die Neuregelungen der Eingliederungshilfe (§§ 90 - 150 SGB IX neu), die im Wesentlichen erst am 01.01.2020 in Kraft treten werden. 2018 tritt § 94 Abs. 1 SGB IX neu in Kraft, wonach die Bundesländer den neuen Eingliederungshilfeträger benennen sollen. Ferner treten die §§ 123 - 134 SGB IX neu in Kraft, die das Vertragsrecht neu regeln, so dass bis 2020 neue Rahmenverträge und neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen verhandelt werden können.

Die wesentlichen Neuerungen (keine vollständige Aufzählung) ab 2018 sind:

  • Einführung eines neuen Teilhabeplanverfahrens für Rehabilitationsleistungen im SGB IX
  • Einführung eines neuen Gesamtplanverfahrens für Eingliederungshilfeleistungen im SGB XII
  • Einführung eines Rechtsanspruchs auf das persönliche Budget
  • Einführung externer Beratungsstellen für die Betroffenen
  • Einführung eines Budgets für Arbeit, das eine Alternative zu Werkstattleistungen darstellen soll

Der Stand der Umsetzung der BTHG-Reformen ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Das Land Berlin hat bspw. die bisher für die Eingliederungshilfe zuständigen Sozialhilfeträger für die kommenden zwei Jahre zum Eingliederungshilfeträger gemacht und wird nach einer Organisationsuntersuchung zur Trägerstruktur bis 2020 entscheiden, wer zukünftig der Eingliederungshilfeträger sein wird. Eine Tendenz, den bisherigen Sozialhilfeträger als Eingliederungshilfeträger zu benennen, ist auch in anderen Bundesländern erkennbar. Die Umsetzung des am 1. Januar 2018 neu eingeführten Gesamtplanverfahrens in der Eingliederungshilfe ist in den meisten Bundesländern noch völlig offen.

Der Umgang der Sozialhilfeträger mit den neuen erhöhten Schonvermögensgrenzen

Bereits seit Januar diesen Jahres wird allen Beziehern von Eingliederungshilfe eine neue erhöhte Schonvermögensgrenze von 25.000,- € gewährt (§ 60a SGB XII). Ab 1. April 2017 wurde die allgemeine Schonvermögensgrenze für alle Bezieher von Sozialhilfe auf 5.000,- € angehoben. Wir vertreten die Rechtsauffassung, dass nunmehr beide Schonvermögensgrenzen für den Kreis der Betroffenen zusammenzurechnen sind (vgl. Newsletter 02/2017). Jedenfalls muss aber für die Betroffenen bei Bezug sämtlicher Sozialhilfeleistungen die erhöhte Schonvermögensgrenze von 25.000,- € gelten.

Die Sozialhilfeträger differenzieren allerdings je nach gewährter Leistung. Für Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII gewähren sie den erhöhten Schonvermögensbetrag von 25.000,- €. Für Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII oder für Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII gewähren sie lediglich den Schonvermögensbetrag von 5.000,- €. Bezieht ein Betroffener beide Leistungen (z.B. in stationären Einrichtungen), so werden die Grundsicherungsleistungen so lange eingestellt, bis er nur noch 5.000,- € Schonvermögen hat. Die Intention des Gesetzgebers, allen Betroffenen, die Eingliederungshilfe beziehen, ein höheres Schonvermögen zu belassen, läuft damit leer.

Wir führen hier die ersten Verfahren, um zu klären, welche Rechtsauffassung die richtige ist.


Hinweis für Berliner Behindertenhilfeeinrichtungen

Bitte beachten Sie das Auslaufen erster Übergangsfristen der Wohnteilhabe-Bauverordnung zum 31.12.2018.

 

Stationäre Einrichtungen für Menschen mit geistiger, körperlicher oder Mehrfachbehinderung und für Menschen mit seelischer Behinderung fallen gemäß § 3 Absatz 1 Wohnteilhabegesetz Berlin in Verbindung mit § 1 Wohnteilhabe-Bauverordnung (WTG-BauV) in deren Anwendungsbereich. §§ 22, 23 WTG-BauV regeln u.a. bestimmte Übergangsfristen zur Vornahme baulicher Veränderungen durch Bestandseinrichtungen.

Gemäß § 22 Absatz 3 WTG-BauV läuft für Einrichtungen für Menschen mit geistiger, körperlicher oder Mehrfachbehinderung für bestimmte bauliche Veränderungen eine erste Übergangsfrist zum 31.12.2018 aus. Für Einrichtung für Menschen mit seelischer Behinderung finden sich entsprechende Regelungen in § 23 Absatz 3 WTG-BauV. Beispielhaft (keine vollständige Aufzählung) seien hier genannt:

  • Bei Benutzung eines Doppelzimmers durch zwei Personen muss ab Januar 2019 sichergestellt sein, dass in Krisensituationen zusätzlich Zimmer zur vorübergehenden Nutzung zur Verfügung stehen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 WTG-BauV).
  • Räume und Verkehrsflächen, die von Bewohnerinnen und Bewohnern genutzt werden, müssen zu jeder Tageszeit ausreichend, gleichmäßig und blendfrei zu beleuchten sein. Bei Verkehrsflächen darf die Beleuchtung durch Bewohnerinnen und Bewohner nicht ausgeschaltet werden können. In Bewohnerzimmern muss die Raumbeleuchtung von jedem Bett aus geregelt werden können. An jedem Bett muss ein Anschluss für eine Leselampe vorhanden sein. Für die nächtliche Pflege und Betreuung muss eine nicht störende Nachtbeleuchtung angeschaltet werden können (§ 14 WTG-BauV).
  • In Gebäudeteilen, die von Bewohnerinnen und Bewohnern genutzt werden, ist ganzjährig eine den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner angepasste Temperatur sicherzustellen. Für Bewohnerzimmer, gemeinschaftliche Wohn- und Aufenthaltsflächen sowie Therapieräume muss ein wirksamer Sonnenschutz verfügbar sein (§ 15 WTG-BauV).

Es könnten teilweise erhebliche bauliche Veränderungen erforderlich sein, so dass den Einrichtungen, die sich bisher noch nicht mit den Anforderungen der WTG-Bauverordnung befasst haben, dringend anzuraten ist, sich bereits am Jahresanfang 2018 mit sämtlichen Anforderungen zu beschäftigen und die ggf. erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.


Wir wünschen Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches, gesundes und erfolgreiches Jahr 2018!

Foto: © Deutscher Bundestag


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Impressum:

Christine Vandrey & Barbara Hoofe
Rechtsanwältinnen in Partnerschaft
Kaiserdamm 88
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