Neues aus der Rechtsprechung
Kein Anspruch des Sozialhilfeempfängers auf Auszahlung des Verpflegungsanteils an den Heimkosten.
(Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.02.2018, L 7 SO 2541/17)
Das
Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hatte darüber zu
entscheiden, ob das beklagte Sozialamt dem Leistungsempfänger den
Verpflegungsanteil an den Heimkosten direkt auszuzahlen hat.
Der psychisch behinderte Kläger wohnte von Oktober
2015 bis Juli 2017 in einem Pflegeheim. Ab November 2016 wollte er die
dort angebotene Verpflegung nicht mehr in Anspruch nehmen und forderte
zunächst die Einrichtung auf, ihm den vollständigen Vergütungsanteil an
der Verpflegung herauszugeben. Dies verweigerte die Einrichtung. Sodann
informierte der Kläger das Sozialamt und bezahlte den Verpflegungsanteil
nicht mehr, sodass die Einrichtung mit einer fristlosen Kündigung
drohte. Die Einrichtung erklärte sich einverstanden, ab Dezember 2016
einen täglichen Rabatt i.H.v. 3,50 € wegen Nichtinanspruchnahme der
Verpflegung zu gewähren. Dies entspricht der Reduktion des
Verpflegungsanteils aufgrund von Sondenernährung.
Das beklagte Sozialamt erließ daraufhin einen
geänderten Bewilligungsbescheid, in dem es der Einrichtung einen um
kalendertäglich 3,50 € gekürzten Verpflegungssatz bewilligte. Hiergegen
wandte sich der Kläger, da er letztendlich begehrte, die eigene Rente
i.H.v. rund 375,- € pro Monat, die ungefähr dem Verpflegungsanteile an
den Heimkosten entsprach, nicht für die Sozialhilfe einsetzen zu müssen.
Das LSG Baden-Württemberg kam zu dem Ergebnis, dass
dem Kläger die Auszahlung des Betrags nicht zusteht. Eine Reduzierung
der Heimkosten steht dem Sozialhilfeträger zu, sodass der angefochtene
Bescheid rechtmäßig ist. Die weiteren rund 8,- €, die nach Mitteilung
der Einrichtung im Verpflegungssatz kalendertäglich auf die
Personalkosten entfallen, kann der Kläger nach Auffassung des Gerichts -
wenn überhaupt - nur vor den Zivilgerichten auf Grundlage des Wohn- und
Betreuungsvertrags einklagen. Die Sozialgerichtsbarkeit ist für die
Klärung dieser Rechtsfrage nicht zuständig.
Anmerkung:
Bewohner*innen von stationären Einrichtungen können
sich hinsichtlich des dort angebotenen Leistungsumfangs nicht die
Inanspruchnahme von Teilleistungen aussuchen und eine Auszahlung des
"nicht in Anspruch genommenen" Restbetrags an sich selbst fordern, wenn
sie Sozialhilfeempfänger*innen sind.
Im Rahmen des sozialrechtlichen
Dreiecksverhältnisses schließen die Bewohner*innen mit der Einrichtung
einen Vertrag über die Erbringung von Leistungen des Wohnens, der
Verpflegung und der Betreuung. Die hierfür vereinbarten Entgelte
schulden die Bewohner*innen der Einrichtung. In diese
Zahlungsverpflichtung tritt der Sozialhilfeträger ein. Reduziert sich
die Zahlungsverpflichtung bspw. aufgrund der Reduzierung des
Beköstigungssatzes wegen Sondenernährung oder wegen mangelhaft
erbrachter Leistungen der Einrichtung, steht der Erstattungsbetrag dem
Sozialhilfeträger zu bzw. hat dieser in der Folge ein geringeres
Heimentgelt an die Einrichtung zu zahlen. Auch eine zivilrechtliche
Klage der Bewohner*innen kann daran im Anwendungsbereich des SGB XII
nichts ändern.
(Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 27.04.2017, S 5 P 33/15)
Das
Sozialgericht Lüneburg hatte darüber zu entscheiden, wer für die Kosten
eines rund vierwöchigen Aufenthalts des Bewohners einer stationären
Behindertenhilfeeinrichtung in der Kurzzeitpflege zu bezahlen hatte.
Der geistig und psychisch behinderte Bewohner hatte
nach einen Krankenhausaufenthalt einen erhöhten Pflegebedarf. Bei ihm
war bereits zuvor die Pflegestufe I anerkannt, sodass die beklagte
Pflegekasse an den Sozialhilfeträger den monatlichen Zuschuss nach § 43a
SGB XI zahlte. Die Behindertenhilfeeinrichtung teilte mit, dass sie nur
Leistungen der Eingliederungshilfe erbringt und den erhöhten
Pflegebedarf nicht sicherstellen kann. Daraufhin beantragte die
gesetzliche Betreuerin des Klägers die Kostenübernahme einer
Kurzzeitpflege durch die Beklagte.
Die Pflegekasse hat pflegebedürftigen Menschen
Kurzzeitpflege zu bewilligen, wenn vorübergehend häusliche Pflege und
teilstationäre Pflege nicht ausreichen. Gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 SGB
XI haben pflegebedürftige Menschen auch außerhalb ihres Haushalts
Anspruch auf häusliche Pflege, allerdings nicht, wenn sie sich in einer
Einrichtung nach § 71 Absatz 4 SGB XI aufhalten, zu der auch stationäre
Behindertenhilfeeinrichtungen gehören, wie das Sozialgericht noch einmal
klarstellte.
Die Pflegekasse hatte somit nicht die Kosten der
Kurzzeitpflege zu übernehmen. Nach Auffassung des Gerichts hatte die
stationäre Behindertenhilfeeinrichtung die Kosten der Kurzzeitpflege zu
tragen, da sie sich trotz gesetzlicher Verpflichtung zum Erbringen der
Pflegeleistungen nicht in der Lage sah, diese durch ihre eigenen
Mitarbeiter*innen sicherzustellen.
Hinweis:
Stationäre Behindertenhilfeeinrichtungen sind dazu
verpflichtet, Pflegeleistungen zu erbringen. Gemäß § 55 SGB XII ist die
Pflege integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe. Hiervon
ausgenommen ist allein die qualifizierte Behandlungspflege, wie das
Bundessozialgericht 2015 in drei Entscheidungen klargestellt hatte (vgl.
Newsletter März 2015 und Juli 2015).
Stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe können sich nicht, wie
im vorliegenden Fall geschehen, darauf zurückziehen, dass sie kein
geeignetes Personal für die Pflegeleistungen haben. Ggf. müssen bei
vorübergehendem höheren Pflegebedarf externe Leistungen durch die
Einrichtung eingekauft werden.
Am
25. Mai 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in Kraft
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