Neues aus der Rechtsprechung
Patientenlifter sind regelmäßig von den besonderen Wohnformen in der Behindertenhilfe als Pflegehilfsmittel vorzuhalten.
(LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2019, L 9 KR 110/16)
Das
Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hatte darüber zu
entscheiden, ob der Bewohner einer stationären
Behindertenhilfeeinrichtung einen Anspruch gegen die Krankenkasse auf
Kostenübernahme für einen Patientenlifter hatte.
Der Kläger leidet an einem Apallischen Syndrom mit
schweren cerebralen Störungen und Tetraspastiken. Für das Umsetzen
benötigt er aufgrund der starken Spastiken und einer erheblichen
Immobilität einen Patientenlifter. Zunächst konnte er den
Patientenlifter eines anderen Bewohners der Einrichtung mitnutzen. Nach
dessen Auszug beantragte er bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit
einem eigenen Patientenlifter. Diese lehnte die Versorgung mit der
Begründung ab, dass die besondere Wohnform, in der der Kläger lebt,
einen solchen Lifter als Pflegehilfsmittel vorzuhalten hat.
Das SG Berlin wies die Klage ab. Das LSG wies die
hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zurück. Aus Sicht des Gerichts
ist die stationäre Behindertenhilfeeinrichtung dazu verpflichtet, den
Patietenlifter als Pflegehilfsmittel vorzuhalten. Die Krankenkasse sei
nur dann vorrangig zur Bewilligung eines Hilfsmitels verpflichtet, wenn
es sich um ein individuell angepasstes Hilfsmittel handelt. In der Regel
gehören Patientenlifter nach Auffassung des LSG nicht zu solchen
individuell angepassten Hilfsmitteln, da sie vorrangig der Ermöglichung
und Erleichterung von Pflegemaßnahmen dienen.
Entsprechende Pflegemaßnahmen habe die besondere
Wohnform im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 43a, 71 Abs. 4 SGB XI
zu erbringen. Zwar seien stationäre Behindertenhilfeeinrichtungen keine
Pflegeeinrichtungen, erbringen aber gemäß § 55 SGB XII
Pflegeleistungen. Aus Sicht des Gerichts haben diese Pflegeleistungen
den Standards des SGB XI zu entsprechen, selbst wenn sie nach Auffassung
der besonderen Wohnform nicht im Vordergrund stehen. Die Kostenträger
haben nach Auffassung des LSG sicherzustellen, dass dieser Standard in
den Leistungsvereinbarungen und den Rahmenverträgen vereinbart wird. Das
LSG geht davon aus, dass sich auch die sächliche Ausstattung an dem
Pflegestandard des SGB XI zu orientieren hat. Die Verpflichtung der
betroffenen Einrichtung zum Vorhalten des Patientenlifters ergebe sich
sowohl aus ihrer Leistungsvereinbarung als auch aus dem Berliner
Rahmenvertrag in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung.
Anmerkung:
Sas LSG Berlin-Brandenburg folgt der Rechtsprechung
diverser weiterer Landessozialgerichte, wonach auch besondere Wohnformen
Pflegehilfsmittel vorzuhalten haben. Auch wenn das Bundessozialgericht
hierzu bisher noch keine Entscheidung getroffen hat, ist es sehr
wahrscheinlich, dass es die Rechtsauffassung der Landessozialgerichte
bestätigen dürfte. Im Rahmen der in den kommenden Jahren anstehenden
Vergütungsverhandlungen aufgrund der Neuregelungen durch das
Bundesteilhabegesetz erscheint es dringend geboten, die Refinanzierung
der Kosten für Pflegehilfsmittel mit in die Kostensätze
einzukalkulieren, da die Verpflichtung zum Erbringen der Pflegeleistung
nach § 103 Absatz 1 Satz 1 SGB IX n.F. in der Eingliederungshilfe ab
2020 fortbestehen wird.
(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.02.2019, III ZR 38/18)
Der
Bundesgerichtshof (BGH) hatte darüber zu entscheiden, ob die
Formulierung von Klauseln im Wohn- und Betreuungsvertrag zur
Zahlungsverpflichtung der Gäste einer Kurzzeitpflegeeinrichtung im
Rahmen der AGB-Kontrolle gegen das Transparenzgebot verstieß.
Ein Gast verweigerte nach Beendigung der
Kurzzeitpflege die Zahlung seines Eigenanteils i.H.v. 690,46 €, da aus
seiner Sicht die Zahlungsverpflichtung nicht wirksam im Wohn- und
Betreuungsvertrag vereinbart worden war. Daraufhin erhob die Einrichtung
Zahlungsklage. Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht
hingegen wies die Klage ab, da die einschlägigen Klauseln nicht der
AGB-Kontrolle standhalten würden. Der BGH hob das Urteil auf und sprach
der Einrichtung die Vergütung zu.
Die Wohn- und Betreuungsverträge stellen Allgemeine
Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) dar, da die Einrichtungen als Verwender dieser
Verträge deren Inhalte den Klienten vorgeben. Gemäß § 307 Absatz 1 Satz 2
BGB müssen solche Klauseln klar und verständlich formuliert sein. Die
klagende Einrichtung hatte hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung der
Gäste im Wesentlichen die Inhalte der Regelungen des WBVG und der §§ 82
ff. SGB XI wiedergegeben.
Der BGH kam unter Anwendung der Kriterien der
Transparenzkontrolle zu dem Ergebnis, dass die von der Einrichtung
verwendeten Klauseln in ausreichendem Maße transparent sind. Da sie
inhaltlich, terminologisch und systematisch den Regelungen des WBVG und
des SGB XI folgen, seien sie schon deshalb hinreichend bestimmt. Diese
aus Sicht des Gerichts durchaus komplexe Gesetzeslage könne bei einer zu
erwartenden sorgfältigen Durchsicht durch den Klienten zutreffend
nachvollzogen werden, auch wenn er rechtlich nicht vorgebildet sei.
Anmerkung:
Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass es durchaus
angeraten ist, sich bei der Gestaltung von Wohn- und Betreuungsverträgen
hinsichtlich der Vergütungsregelungen - auch sprachlich - nahe an den
gesetzlichen Grundlagen des WBVG und des SGB IX n.F. zu halten. Zwar
sind entsprechend gestaltete Regelungen in den Verträgen keine "leicht
verständliche" Sprache, bieten aber Rechtssicherheit bei der Gestaltung
der Wohn- und Betreuungsverträge, wie das vorstehende Urteil bestätigt.
Es darf davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die gesetzlichen
Betreuer die Regelungen nachvollziehen können.
Der pauschalierte Kindesunterhalt fällt zum Jahreswechsel weg.
Ab
01.01.2020 tritt § 94 Absatz 1a SGB XII in Kraft, der regelt, dass
Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern
und Eltern bei der Gewährung von Sozialhilfe nicht zu berücksichtigen
sind, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen beträgt jeweils mehr
als 100.000,- €. Zum Gesamteinkommen der unterhaltsverpflichteten
Person zählen sämtliche zu versteuernden Einnahmen.
Es besteht zunächst immer die (widerlegbare)
Vermutung, dass das Einkommen der unterhaltspflichtigen Personen die
Jahreseinkommensgrenze von 100.000,- € nicht übersteigt. Es können
zunächst nur von den Leistungsberechtigten Angaben allgemeiner Art
verlangt werden, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der
Unterhaltspflichtigen zulassen. Nur wenn im Einzelfall hinreichende
Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze bei dem
unterhaltspflichtigen Kind oder Elternteil vorliegen, ist dieses
verpflichtet, gegenüber dem Sozialamt seine Einkommensverhältnisse
konkret offen zu legen.
Mindestlohn steigt zum 01.01.2020.
Der allgemeine Mindestlohn steigt ab Januar 2020 von
9,19 € pro Stunde auf 9,35 € pro Stunde. Der Mindestlohn steigt
damit 2020 um 5,8% an.
Mindestvergütung für Auszubildende ab 01.01.2020.
In § 17 Berufsbildungsgesetz wird ein neu gefasster
Absatz 2 eingefügt, der die Arbeitgeber dazu verpflichtet, den
Auszubildenden ab 2020 eine Mindestvergütung zu zahlen.
Arbeitgeber müssen den Auszubildenden danach im
ersten Ausbildungsjahr mindestens 515,- € pro Monat zahlen. 2021 steigt
dieser Betrag auf 550,- €, 2022 auf 585,- € und 2023 auf 620,- €. Ab
2024 wird der Steigerungsbetrag fortgeschrieben.
Im zweiten Ausbildungsjahr erhöht sich die Mindestvergütung um 18%, im dritten Ausbildungsjahr um 35% und im vierten um 40%.
Fotos: © LSG Berlin-Brandenburg; Joe Miletzki (Bundesgerichtshof); Deutscher Bundestag