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Newsletter Altenpflege 03/2023
03/2023
Neues aus der Rechtsprechung
Haftungsfragen im Pflegeheim - Verbrühung wegen umgestürzter Tasse mit heißem Tee
(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.05.2023, 24 U 204/21)
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob ein Pflegeheim der klagenden Krankenkasse Schadensersatz in Form der Erstattung der Behandlungskosten eines Bewohners zu leisten hatte.
Der querschnittsgelähmte Bewohner lebt in dem Pflegeheim und nutzt dort regelmäßig einen Elektrorollstuhl. Eine Mitarbeiterin stellte einen Thermobecher mit Tee auf den Nachttisch des Bewohners. Sie wies den Bewohner darauf hin, dass der Tee heiß sei und noch nicht getrunken werden könne. Sie werde später wieder kommen, um ihm den Tee zu reichen. Diesen Hinweis bestätigte der Bewohner mit einem Kopfnicken. Kurz darauf stieß er mit seinem Elektrorollstuhl an den Nachttisch, wodurch der Becher umfiel. Durch den heißen Tee verbrühte er sich seine Oberschenkelinnenseite und musste im Krankenhaus und daran anschließend ambulant behandelt werden. Die Krankenkasse forderte von dem Pflegeheim Kostenerstattung der Behandlungskosten im Umfang von rund 50.000,- €.
Das OLG teilte der klagenden Krankenkasse mit dem vorliegenden Beschluss mit, dass deren Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Bereits erstinstanzlich war die Klage abgewiesen worden.
Das Oberlandesgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrung der Selbständigkeit von Bewohnern von Pflegeheimen auch das Risiko beinhaltet, dass sie sich selbst oder andere durch Unachtsamkeit schädigen. Die Möglichkeit, dass eine durch einen Elektrorollstuhl mobilisierte Person mit diesem gegen ein Möbelstück stoßen kann und dadurch einen Unfall erleidet, ist aus Sicht des Gerichts dem normalen alltäglichen Gefahrenbereich im Pflegeheim zuzuordnen, zumal ein solches Geschehen auch außerhalb des Heims erfolgen könne. Nach Auffassung des OLG unterliegt auch der Bewohner eines Pflegeheimes einem allgemeinen Lebensrisiko, welches Unfälle bei der Ausführung an sich beherrschter Verrichtungen und Vorgänge einschließen kann. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung bestehe keine Pflicht zu besonderen, ggf. vorbeugenden Sicherungsmaßnahmen durch den Heimträger und seine Mitarbeiter.
Anmerkung:
Das Oberlandesgericht Düsseldorf folgt hier der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14.01.2021, Az. III ZR 168/19), der hinsichtlich der Schadensersatzpflicht eines Pflegeheimes den Beurteilungsmaßstab anlegt, ob die Mitarbeiter im Einzelfall wegen der körperlichen oder geistigen Verfassung des Bewohners ernsthaft damit rechnen mussten, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte (vgl. Newsletter 01/2021).
Kein Anspruch auf Hilfe zur Pflege bei vorhandenem Schonvermögen
(LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.06.2023, L 2 SO 142/23)
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hatte darüber zu entscheiden, ob dem Bewohner eines Pflegeheimes Hilfe zur Pflege zusteht oder ob er über zu viel Schonvermögen verfügt.
Der 1928 geborene Kläger ist verwitwet und hat einen Sohn aus zweiter Ehe. Er leidet an Demenz und hat den Pflegegrad 4 zuerkannt. Seit August 2019 lebt der Kläger in einem Pflegeheim. Im Juni 2020 beantragte der Kläger Hilfe zur Pflege zur Übernahme ungedeckter Heimkosten beim zuständigen Sozialamt.
Im Jahr 1995 schloss der Kläger mit seiner Ehefrau einen Erbvertrag, mit dem die Ehefrau den Sohn als Alleinerben einsetzte und dem Kläger den Niesbrauch an ihrem gesamten Nachlass vermachte. Im Jahr 2015 verstarb die Ehefrau des Klägers. Zum Nachlass gehörte ein Haus, in dem der Kläger bis zu seinem Wechsel ins Pflegeheim lebte. Eine Grundbucheintragung des Niesbrauchs erfolgte nicht. Im Jahr 2020 verkaufte der Sohn des Klägers das von seiner Mutter ererbte Grundstück.
Das zuständige Sozialamt lehnte die Bewilligung von Hilfe zur Pflege ab, da der Kläger ein geldwertes Recht aus einem Niesbrauch habe. Die hiergegen erhobene Klage wies das zuständige Sozialgericht ab. Das LSG wies die Berufung des Klägers zurück.
Das Landessozialgericht führt in seiner Begründung aus, dass das Nießbrauchsrecht in Form der unentgeltlichen Nutzung des Hauses nicht durch den Einzug des Klägers in das Pflegeheim untergegangen war. Dies habe kein Erlöschen des Wohnungsrechts bewirkt. Bei einem Wohnungsrecht handele es sich um eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Dieses Recht erlischt nach Auffassung des Gerichts, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft unmöglich ist. An diesen Voraussetzungen fehle es, wenn das Wohnungsrecht aufgrund der Aufnahme des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ausgeübt werden könne. Der Kläger hatte aus Sicht des LSG die Möglichkeit, bspw. in Ausübung des Wohnungsrechts die Räume zu vermieten. Das Gericht bestätigte ferner die Berechnung des Sozialamtes hinsichtlich des Kapitalwertes des Wohnungsrechts, der auf rund 23.000,- € beziffert wurde.
Anmerkung:
Pflegeheime sehen sich nach unserer Erfahrung zunehmend Problemen bei der Durchsetzung offener Ansprüche aus Heimentgelt gegenüber. Neben überlangen Verfahrensdauern bei der Bewilligung von Hilfe zur Pflege durch die Sozialämter kommt es nicht selten zur Ablehnung von Hilfe zur Pflege mit dem Hinweis, dass (noch) zuviel Schonvermögen bei dem Bewohner vorhanden ist. Fälle wie der vorstehend beschriebene Sachverhalt sind dabei von hoher praktischer Relevanz. Der Bewohner muss aufgrund des Urteils des LSG von seinem Sohn den Kapitalwert des Wohnungsrechts einfordern und für seine Heimkosten einsetzen, bevor er Anspruch auf Hilfe zur Pflege hat.
Neues aus der Gesetzgebung
§§ 18 ff. SGB XI (Begutachtung durch den MDK) wurden zum 01.10.2023 neu gefasst und teilweise neu geregelt
Durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) wurde das Verfahren zur Feststellung des Pflegegrades zum 01.10.2023 neu sortiert und die Inhalte der bisher geltenden §§ 18, 18a SGB XI a.F. wurden wie folgt neu gegliedert:
- § 18 SGB XI trifft sämtliche Regelungen der Beauftragung des MDK durch die Pflegekassen,
- § 18a SGB XI regelt die Durchführung der Begutachtung beim Antragsteller,
- § 18b SGB XI trifft Regelungen zu den Inhalten und der Übermittlung des Gutachtens,
- § 18c SGB XI bestimmt die Verfahren und Fristen bei der Bescheiderteilung,
- § 18d SGB XI benennt die Berichtspflichten von Pflegekassen und dem Bund der Pflegekassen,
- § 18e SGB XI enthält Grundlagen zur wissenschaftlichen Erprobung von Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Pflegebegutachtungsverfahrens.
Durch den Medizinischen Dienst Bund wurde die überarbeitete Fassung der Pflegebegutachtungsrichtlinie erstellt, die am 18.11.2023 in Kraft getreten ist. Insbesondere wurden hier die Entscheidungskriterien für ein strukturiertes Telefoninterview in Kapitel 6.1.2 der Begutachtungsrichtlinie aufgenommen. Ein strukturiertes telefonisches Interview ist nach § 142a Absatz 2 Satz 3 SGB XI ausgeschlossen, wenn es sich um
- eine Erstuntersuchung des Versicherten handelt, in der geprüft wird, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welcher Pflegegrad vorliegt,
- eine Widerspruchsuntersuchung im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegen eine Entscheidung der Pflegekasse handelt,
- eine Prüfung der Pflegebedürftigkeit von Kindern handelt oder
- die der Begutachtung unmittelbar vorangegangene Begutachtung das Ergebnis enthält, dass Pflegebedürftigkeit iSd § 14 Absatz 1 SGB XI nicht vorliegt.
Erhöhung der Mindestlöhne in der Pflege zum 01.12.2023
Zum 1. Dezember 2023 wurde die nächste Erhöhung der Mindestlöhne für alle in der Pflege Beschäftigten durchgeführt. Danach erhalten Pflegehilfskräfte ab 01.12.2023 einen Stundenlohn von 14,15 €. Qualifizierte Pflegehilfskräfte mit mindestens 1-jähriger Ausbildung und entsprechender Tätigkeit erhalten einen Mindestlohn von 15,25 € pro Stunden. Pflegefachkräfte sind ab 01.12.2023 mit 18,25 € pro Stunde zu vergüten.
Nach Empfehlung der Pflegekommission sollen die Mindestlöhne für Pflegekräfte bis 2025 in zwei weiteren Schritten um insgesamt 14% steigen.
Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.vandrey-hoofe.de
Wir wünschen Ihrer Familie Ihnen geruhsame Weihnachtsfeiertage und einen guten Start ins neue Jahr!
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