Neues aus der Rechtsprechung
Die Heimaufsicht kann einen Aufnahmestopp bei Nichteinhaltung der Fachkraftquote anordnen.
(Beschluss des VG Dresden vom 06.02.2017, 1 L 519/16)
Das Verwaltungsgericht Dresden hatte u.a. darüber zu
entscheiden, ob die Anordnung eines Neuaufnahmestopps durch die
Heimaufsicht gegenüber einer Altenpflegeeinrichtung zulässig war.
Die Heimaufsicht hatte in der betroffenen
Einrichtung eine unangekündigte Prüfung durchgeführt und festgestellt,
dass an Prüftag neben einer Vielzahl an Pflegehelfern nur 5 Fachkräfte
zur Betreuung und Pflege von 67 pflegebedürftigen Bewohnern im Einsatz
waren, was einer Fachkraftquote von rund 23% entsprach. Gemäß § 3 Absatz
3 Nr. 2 Sächsisches Betreuungs- und Wohnqualitätgesetz (SächsBeWoG)
hatte die Einrichtung eine Fachkraftquote von 50% einzuhalten.
Die Seniorenresidenz stellte einen Antrag auf
Befreiung von der gesetzlich vorgeschriebenen Fachkraftquote. Dieser
Antrag wurde abgelehnt. Zugleich erlies die Heimaufsicht einen Bescheid
über einen Neuaufnahmestopp bis zur Erfüllung der vorgeschriebenen
Fachkraftquote, dessen sofortige Vollziehung sie anordnete.
Die Pflegeeinrichtung beantragte im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes vor dem VG Dresden u.a. die
Wiederherstellung der aufschiebenen Wirkung ihres Widerspruchs gegen den
mit Bescheid erlassenen Aufnahmestopp. Sie teilte mit, dass sie eine
durchschnittliche Fachkraftquote von rund 34,5% erfüllt und ihre
Leistungen bisher beanstandungsfrei erbringt. Aufgrund des
Fachkräftemangels auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei es ihr nicht
möglich, die erforderliche Quote zu erfüllen.
Das Verwaltungsgericht gab der Heimaufsicht Recht.
Nach Auffassung des Gerichtes durfte die Heimaufsicht gemäß § 11 Absatz 1
SächsBeWoG einen Neuaufnahmestopp verhängen, um so eine drohende
Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohner abzuwenden. Mit
der gesetzlich geregelten Fachkraftquote stelle der Gesetzgeber klar,
dass eine angemessene Betreuung und Pflege entsprechend dem anerkannten
Stand der fachlichen Erkenntnisse nur unter Einhaltung der
vorgeschriebenen Fachkraftquote gefahrlos möglich sei. Das Gesetz
eröffne kein Ermessen für die Einhaltung der Fachkraftquote.
Anmerkung:
Das Verwaltungsgericht Dresden berücksichtigt in
seinem Beschluss die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht. Es
stellt ausschließlich auf die gesetzlich geregelte Fachkraftquote ab.
Eine Anpassung dieser Quote an die Arbeitsmarktsituation könnte nur
durch den Gesetzgeber erfolgen.
Entsprechende Fachkraftquoten gelten auch in anderen
Bundesländern. In Berlin und Brandenburg ist jeweils eine
Fachkraftquote von 50% geregelt (vgl. § 8 Absatz 3 Nr. 1
Wohnteilhabe-Personalverordnung Berlin und § 4 Absatz 3
Strukturqualitätsverordnung Brandenburg).
(Beschluss des BHG vom 24.05.2017, XII ZB 577/16)
Der
Bundesgerichtshof (BHG) hatte darüber zu entscheiden, ob eine auf den
Rollstuhl angewiesene Bewohnerin in einer Behindertenhilfeeinrichtung
geschlossen untergebracht werden durfte, indem die Außentüren
verschlossen wurden.
Die Betroffene leidet an einem frühkindlichen
Hirnschaden mit hochgradiger geistiger Behinderung bei vorhandenem
Coffin-Lowry-Syndrom sowie an Epilepsie. Sie ist auf den Rollstuhl
angewiesen. Seit 1999 lebt sie in einer Behindertenhilfeeinrichtung. Die
geschlossene Unterbringung wurde wiederholt gerichtlich genehmigt. Das
zuständige Amtsgericht genehmigte im November 2015 neuerlich die
freiheitsentziehende Unterbringung. Hiergegen legte die Betroffene
Beschwerde ein. Das Landgericht und der BGH wiesen die Beschwerde
zurück.
Der BGH wies zunächst darauf hin, dass das
Verschließen der Außentür eine freiheitsentziehende Unterbringung nach §
1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist. Aus Sicht des Gerichts liegt
eine solche freiheitsentziehende Unterbringung nur dann nicht vor, wenn
der Betroffene faktisch nicht in der Lage ist, sich räumlich zu
entfernen. Die im vorliegenden Verfahren betroffene Bewohnerin könne
sich aber mit ihrem Rollstuhl vorwärts bewegen. Das psychiatrische
Gutachten habe ferner ergeben, dass sie einen natürlichen Willen zur
Fortbewegung bilden kann, so dass das Verschließen der Außentür ein
Freiheitsentzug sei.
Eine solche freiheitsentziehende Unterbringung ist
nach den Ausführungen des BGH nur genehmigungsfähig, wenn das Wohl der
Betroffenen dies erforderlich macht, weil aufgrund einer psychischen
Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Gefahr
besteht, dass sie sich tötet oder einen erheblichen gesundheitlichen
Schaden zufügt. Es muss eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der
Betroffenen vorliegen, allerdings muss diese Gefahr nicht akut sein und
sich unmittelbar zu verwirklichen drohen.
Bei der betroffenen Bewohnerin bejahte der BGH das
Vorliegen einer solchen Gefahr, da sie die Einrichtung allein verlassen
könnte und hierdurch im Straßenverkehr erheblichen Gefahren ausgesetzt
wäre.
Anmerkung:
Das Verschließen der Außentüren darf von einer
Aötenpflegeeinrichtung nur durchgeführt werden, wenn für alle hiervon
betroffenen Bewohner ein betreuungsgerichtlicher Beschluss zur
freiheitsentziehenden Unterbringung vorliegt. Ist dies nicht bei allen
der Fall, haben Bewohner ohne Unterbringungsbeschluss das Recht, die
Einrichtung jederzeit zu verlassen. Dies muss ggf. durch Schlüssel oder
einen Pförtner sichergestellt sein.
Erweiterte Regelungen zu Vergütungskürzungen sind seit dem 29.07.2017 in Kraft getreten.
Gemäß
§ 115 Absatz 3 SGB XI können die Pflegekassen die Vergütung einer
Einrichtung so lange kürzen, wie diese ihre gesetzlichen oder
vertraglichen Pflichten, insbesondere solche aus dem Versorgungsvertrag
nicht einhält. Der Gesetzgeber hat § 115 SGB XI nunmehr um die Absätze
3a und 3b ergänzt, die weitere Konkretisierungen zum Recht der
Vergütungskürzung regeln.
Gemäß § 115 Absatz 3a SGB XI kann der Pflegesatz
gekürzt werden, wenn der Einrichtungsträger die im Pflegesatz
verhandelten Gehälter nicht in voller Höhe an sein Pflegepersonal
bezahlt. Ebenso droht eine Entgeltkürzung, wenn die vereinbarte
Personalausstattung über einen längeren Zeitraum unterschritten wird.
Bei vorsätzlichem Handeln des Einrichtungsträgers kann der
Versorgungsvertrag gekündigt werden.
Gemäß § 115 Absatz 3b SGB XI sollten die
Vertragsparteien bis zum 1. Januar 2018 das Verfahren zur Kürzung der
Pflegevergütungen nach den Absätzen 3 und 3a vereinbaren. Die
entsprechende Vereinbarung ist im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und
gilt ab dem Folgemonat der Bekanntgabe für alle Pflegeeinrichtungen.