- Sie sind hier: Start
- Newsletter
- Ansicht
Newsletter Altenpflege 02/2024
02/2024
Neues aus der Rechtsprechung
Anforderungen an eine Entgelterhöhungsankündigung
(OLG Köln, Urteil v. 28.02.2024, 5 U 60/23)
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte darüber zu entscheiden, wie eine Entgelterhöhungsankündigung nach § 9 WBVG inhaltlich ausgestaltet sein muss, um wirksam zu sein.
Die Pflegeeinrichtung und eine Bewohnerin stritten über die Wirksamkeit diverser Entgelterhöhungsankündigungen zwischen 2017 und 2021. Die Bewohnerin machte eine Rückforderung gezahlter erhöhter Entgelte geltend, die die beklagte Pflegeeinrichtung trotz fehlender Zustimmung zu den Entgelterhöhungsankündigungen von der Bewohnerin mittels Lastschrifteinzug erhalten hatte.
Das OLG kam zunächst zu dem Ergebnis, dass das Zustimmungsverlangen zur Entgelterhöhung für die Jahre 2017 und 2018 verjährt war. Das Pflegeheim hatte es versäumt, innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist Zustimmungsklage zu erheben. Daher waren die bereits vereinnahmten erhöhten Entgelte für diese Jahre an die Bewohnerin zurückzuzahlen.
Für die weiteren Jahre sprach das OLG dem Pflegeheim die erhöhten Entgelte zu, die das Heim auf Basis der jeweils neuen Pflegesatzvereinbarungen mit den Pflegekassen forderte. Fristgemäß war zunächst jeweils eine Ankündigung der voraussichtlichen Entgelterhöhungen und des voraussichtlichen Erhöhungsdatums erfolgt. Nach Abschluss der Pflegesatzverhandlungen erfolgte eine Mitteilung der endgültigen Pflegesätze. Hierbei wurden die neuen den bisherigen Entgeltbestandteilen gegenüber gestellt und die Erhöhung ganz allgemein mit erhöhten Personalkosten und erhöhtem Wirtschaftsaufwand begründet. In einem beiliegenden Merkblatt wurde der Umlagemaßstab allgemein erläutert. Diese Darstellung ließ das OLG Köln insgesamt für eine wirksam angekündigte Entgelterhöhung ausreichen. Es hielt insbesondere eine Darstellung der Gesamtkosten für Personal und Wirtschaftsaufwand nicht für erforderlich, da den Entgelterhöhungen die Pflegesatzvereinbarungen zu Grunde lagen, die gemäß § 9 Absatz 1 Sätze 2 und 3 WBVG eine Angemessenheitsprüfung der erhöhten Entgelte überflüssig machen. Ferner sah es das Gericht als unproblematisch an, dass das Pflegeheim jedenfalls ab 2019 auch die Erhöhungen für 2017 und 2018 mit in das dann geltende Entgelt einrechnen durfte, da anderenfalls für das Heim ein nicht mehr praktikabler Verwaltungsaufwand bei der Erstellung individueller Entgeltabrechnungen entstehen würde.
Das Gericht erklärte allerdings ein Erhöhungsverlangen für Investitionskosten ab 2020 für unwirksam. Dieses Erhöhungsverlangen wurde von dem beklagten Pflegeheim allein mit einer Neufestsetzung der Investitionskosten durch den LVR Rheinland begründet. Die Neufestsetzung der anerkennungsfähigen Aufwendungen für die Pflegeeinrichtung erfolgt turnusmäßig alle 2 Jahre. Die von dem Pflegeheim gegebene Begründung genügte nach Auffassung des OLG nicht den Mindestanforderungen an die erforderliche Begründung der Erhöhung, denn allein die turnusmäßige Neufestsetzung der Investitionskosten sei noch kein Grund für ihre Erhöhung.
Anmerkung:
Das OLG Köln folgt der Rechtsprechung des OLG Dresden (vgl. Newsletter Behindertenhilfe 03/2022). Das Urteil bringt eine weitere Klarstellung hinsichtlich der Anforderungen an Entgelterhöhungsankündigungen. Dabei ist aber zu beachten, dass diese Rechtsprechung nur gilt für Entgelterhöhungen auf Basis neu verhandelter Pflegesatzvereinbarungen mit den Pflegekassen, da in diesem Fall nur eine eingeschränkte Angemessenheitsprüfung im Hinblick auf die Entgelterhöhung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang stellt das OLG Köln keine allzu hohen Anforderungen an die formalen Erfordernisse der Entgelterhöhungsankündigungen.
Auch ein spezielles Huntington-Pflegebett ist vom Pflegeheim zur Verfügung zu stellen
(LSG Hessen, Beschluss vom 08.03.2024, L 6 P 5/24 B ER)
Das Landessozialgericht (LSG) Hessen hatte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes darüber zu entscheiden, ob die Krankenkasse oder die Pflegekasse einer an Huntington leidenden Bewohnerin eines Pflegeheims ein speziell für diese Erkrankung ausgerichtetes Pflegebett zu finanzieren hat.
Die 1988 geborene Antragstellerin leidet an der Huntington-Krankheit im klinischen Stadium V von V. Bei ihr ist der Pflegegrad 5 festgestellt. Sie lebt in einer vollstationären Pflegeeinrichtung. Ihre gesetzliche Betreuerin beantragte die Kostenübernahme des Pflegebettes „ChoReha B“ der Firma SAVI mit Sondermaßen für Pflege und Therapieanwendungen 200 x 120 cm. Der Antrag wurde abgelehnt und der daraufhin erhobene Widerspruch zurückgewiesen. Die Antragstellerin beantragte vor dem zuständigen Sozialgericht Gießen eine vorläufige Kostenübernahme für das Pflegebett im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung, dass sie sich in der Endphase ihrer Erkrankung befindet und ihr ein Warten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht möglich ist, das parallel beim Sozialgericht Gießen anhängig ist.
Das SG Gießen lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Das LSG Hessen wies eine dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ab. Aus seiner Sicht hatte die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihre aktuelle Pflegesituation mit dem derzeit vom Pflegeheim zur Verfügung gestellten Pflegebett unzumutbar ist, so dass es aus Sicht des Gerichtes schon an der Dringlichkeit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz fehlte.
Die Pflegekasse war nach Auffassung des LSG nicht einstandspflichtig, da eine solche Pflicht zur Kostenübernahme nur im ambulanten Bereich besteht (§ 40 SGB XI). Im stationären Bereich seien mit der Pflegevergütung nach § 43 SGB XI sämtliche Leistungen an die Antragstellerin abgegolten. Aus Sicht des Gerichts war auch die Krankenkasse mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einstandspflichtig, da hier die Verpflichtung des Pflegeheims vorging, alle erforderlichen Pflegehilfsmittel zur Verfügung zu stellen.
Anmerkung:
Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass Pflegeheime das für die Pflege und Versorgung notwendige Inventar vorzuhalten haben. Dies gilt nach Auffassung des LSG Hessen jedenfalls für die Produktgruppe 50 des Abgrenzungskatalogs zur Hilfsmittelversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen, die auch Pflegebetten enthält.
Keine Einräumung einer Räumungsfrist bei erheblichen, selbstverschuldeten Zahlungsrückständen
(LG Lübeck, Urteil vom 25.04.2024, 5 O 197/23)
Das Landgericht (LG) Lübeck hatte darüber zu entscheiden, ob der Räumungsklage eines Pflegeheims gegen eine hochbetagte Bewohnerin wegen erheblicher Zahlungsrückstände stattzugeben war und ob der Bewohnerin eine Räumungsfrist einzuräumen war.
Die Bewohnerin zog 2020 in das Pflegeheim ein. Ab 2021 kam es immer wieder zu erheblichen Zahlungsrückständen, die der gesetzliche Betreuer der Bewohnerin trotz diverser Mahnungen nicht ausglich und auch sonst nichts zur Sicherung der Heimentgelte unternahm. Die Rückstände summierten sich zuletzt auf 34.626,22 €. Im August 2023 kündigte das Pflegeheim den Wohn- und Betreuungsvertrag gemäß § 12 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 b) WBVG wegen der Zahlungsrückstände. Im anhängigen Klageverfahren vor dem Landgericht zahlte der gesetzliche Betreuer insgesamt 4.900,- € offene Heimentgelte und stellte bei der Stadt Lübeck einen Antrag auf Übernahme der Mietrückstände.
Das Gericht verurteilte die Bewohnerin zur Räumung des Heimplatzes und erklärte die Kündigung des Pflegeheimes wegen Entgeltrückständen für wirksam. Ferner wies das Gericht den Antrag der Bewohnerin auf Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 Zivilprozeßordnung (ZPO) ab.
Das Gericht führte aus, dass eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO auf Antrag oder von Amts wegen gewährt werden kann, wenn auf Räumung von Wohnraum erkannt wird. Eine Bewilligung sei grundsätzlich auch bei einer Kündigung wegen Zahlungsrückständen möglich. Dabei seien allerdings die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen.
Aus Sicht des Gerichtes war der Bewohnerin vorliegend keine Räumungsfrist nach § 721 ZPO zu gewähren, da die wirtschaftliche Belastung des Pflegeheimes durch die erheblichen Entgeltrückstände zu gravierend waren und sich auch auf die anderen Bewohner auswirken könnten. Bereits kurze Zeit nach dem Einzug habe die Bewohnerin keine regelmäßigen Zahlungen mehr geleistet. Das wäre aus Sicht des Gerichts auch für den Zeitraum der Räumungsfrist nicht zu erwarten. Der gesetzliche Betreuer habe sich nicht ausreichend bemüht, die vereinbarten Entgelte zu zahlen oder eine alternative Unterkunft für die Bewohnerin zu finden. Diese Obliegenheitspflichtverletzung müsse sich die Bewohnerin zurechnen lassen. Das Landgericht ließ es auch nicht gelten, dass der gesetzliche Betreuer behauptete, er haben seinen Pflichten aufgrund von Long Covid nicht vollumfänglich nachkommen können. Aus Sicht des Gerichts hätte der dann einen Betreuerwechsel beim Betreuungsgericht initiieren müssen, so dass der neue gesetzliche Betreuer alles Erforderliche hätte tun können.
Anmerkung:
Wird einer Räumungsklage vom Gericht stattgegeben, so ist die zur Räumung verurteilte Person aufgrund des Urteils zum sofortigen Auszug verpflichtet. Nach § 721 ZPO kann das Gericht aus eigenem Antrieb oder aufgrund eines Antrags des Beklagten die Verpflichtung zur sofortigen Räumung des Wohnraums aussetzen und eine Räumungsfrist gewähren, damit der Beklagte ausreichend Zeit hat, neuen Wohnraum zu finden. Eine solche Räumungsfrist kann auf Antrag auch verlängert oder verkürzt werden. Aus Sicht der Rechtsprechung ist § 721 ZPO auch auf den von Pflegeheimen zur Verfügung gestellten Wohnraum anzuwenden.
Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.vandrey-hoofe.de
Klicken Sie hier, wenn Sie den Newsletter Altenpflege abbestellen möchten.